: Ein kurzer Sommer im Freien
Die Open-air-Bühne Wuhlheide steht drei Monate nach der Neueröffnung vor der Pleite. Doch trotz Millionenschulden wollen die Veranstalter weitermachen ■ Von Kolja Mensing
Im Sommer diesen Jahres hielt plötzlich das pralle Leben Einzug im Bezirk Köpenick: eine ganze Serie von Open-air-Verstanstaltungen auf der umgebauten Freilichtbühne Wuhlheide. Das riesige Amphitheater, das 1951 für die 3. Weltfestspiele der Jugend gebaut worden war, wurde am 13. Juni neu eröffnet.
Doch Anfang September platzte der Traum, zusammen mit ein paar Wechseln. Wie jetzt bekannt wurde, muß sich die Wuhlheide Veranstaltungs GmbH einem Antrag auf Gesamtvollstreckung stellen – der ostdeutschen Variante eines Konkursverfahrens. Es geht um Verbindlichkeiten in Höhe von sieben Millionen Mark, und die Veranstalter stehen kurz vor der Pleite. Die Gesellschaft soll jedoch möglichst nicht in aller Stille abgewickelt werden: Man will weitermachen.
Das liegt offensichtlich auch im Interesse des Vermieters: Kultursenator Peter Radunski hat bisher den langfristigen Mietvertrag – fünf Jahre mit Option auf Verlängerung – gegenber dem säumigen Veranstalter nicht gekündigt. „Berlin kann eine zweite Freilichbühne sicherlich verkraften“, findet dessen Pressesprecher Axel Wallrabenstein, „Wuhlheide ist eine gute Ergänzung zur Waldbühne, keine Konkurrenz.“
Gesellschafter Norbert Döpp hat viel zu tun: „Wir arbeiten an allen Fronten, um uns zu sanieren.“ Nachdem ein Sequestor – das Gegenstück zum Konkursverwalter – die Geschäfte der Firma vorläufig übernommen hat, wird nun vor allem verhandelt. Denn die Wuhlheide GmbH braucht neues Kapital. Döpp: „Wir sind mit anderen Veranstaltern im Gespräch.“ Interessenten gäbe es, allerdings kämen die nicht aus Berlin. Döpp, der gleichzeitig Geschäftsführer der Konzertagentur Downtown ist, war als Minderheitsgesellschafter für die laufende Organisation des Köpenicker Betriebs zuständig. Mehrheiter Matthias Hoffmann, ein Mannheimer Konzertveranstalter, sollte für die Finanzierung sorgen – hat aber inzwischen andere Probleme. Einer Pressemeldung zufolge sitzt der Geschäftsmann wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft. Seine Frau vertritt ihn derweilen in seiner Firma.
Es läßt sich also nur mutmaßen, wie weit Hoffmanns Probleme mit den Finanzbehörden und der Justiz die Pleitemaschine in der Wuhlheide angekurbelt haben. Klar ist, daß das Open-air-Projekt von Anfang an unter keinem guten Stern stand. Döpp und Hoffmann waren zu Beginn der 90er eigentlich an der Waldbühne interessiert, wurden dann aber von Konkurrent Schwenkow und seiner Concert Concept ausgebremst.
Die kleinere Wuhlheide – 16.000 statt 22.000 Plätze – wurde zum Trostplaster. Ein Trostpflaster im Grünen: Mit dem Ärger, den Concert Concept mit lärmbelästigten und verkehrsgestreßten Charlottenburgern hatte, war in Köpenick nicht zu rechnen. Und der Ost-Bezirk jubelte. In Köpenick leidet man unter den Umstrukturierungen nach der Wende und setzt auf Tourismus und Dienstleistung: Auf die Wiederbelebung der brachliegenden Wuhlheide wurden allerhand Hoffnungen gesetzt.
Hoffmann und Döpp wollten zunächst vier Millionen Mark in den Ausbau stecken. Denn so eindrucksvoll die sozialistische Jugendbühne auf dem Gelände des „Pionierparks Ernst Thälmann“ lag: Die Ränge mußten saniert, Zufahrtswege und eine Bühne erst einmal geschaffen werden. Als dann das Landesdenkmalamt nach Baubeginn mit seinen Auflagen anrückte, wurde plötzlich alles teurer. Am Ende mußte die Wuhlheide Veranstaltungs GmbH siebeneinhalb Millionen für ihren Umbau Ost bezahlen.
Die Verdopplung der Startinvestionen hat die Firma schwer belastet. Und auch die erste Saison konnte nichts herausreißen: Bloß acht Veranstaltungen fanden statt, darunter das „Wuhlrock Open Air“ mit Rammstein und H-Blockx. Ein Teil der Konzerte verkaufte sich nur mäßig – was weniger an der speziellen Situation in Berlin mit zwei großen Freilichtbühnen lag, sondern in den gesamtdeutschen Trend paßte: Die Laut-und-draußen-Fans wurden dieses Jahr vom Angebot übersättigt, viele Veranstalter klagten über Besuchereinbrüche.
Im nächsten Jahr soll dennoch volles Programm gefahren werden, wenn sich denn neue Teilhaber mit genug Geld auftreiben lassen. Für zwölf Veranstaltungen hat Döpp schon reserviert. Insgesamt plant er 18 Konzerte, dazu Open- air-Kino. Im Moment ist es allerdings noch zu früh, voller Vorfreude den Picknickkorb zu schwenken: Erst Ende der Woche entscheidet sich, ob die Wuhlheide GmbH weitermachen kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen