: Aufgeschoben heißt auch aufgehoben
Wie alle Bemühungen um eine ernsthafte Liberalisierung des Staatsbürgerrechts im Koalitionsstreit und in der Konfrontation mit der SPD versandeten und die CDU-Reformer sich damit selbst kalt stellten ■ Aus Bonn Markus Franz
Zuletzt kam es nicht mehr überraschend: Das vorläufige Ende einer Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts. Dabei hatte es lange Zeit so ausgesehen, als wenn die Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern nur noch eine Frage der Zeit wäre.
Am 19. Juni letzten Jahres wagten die damals „Junge Wilden“ genannten Abgeordneten der CDU den ersten ernstzunehmenden Schritt an die Öffentlichkeit. Peter Altmaier, Norbert Röttgen und Eckart von Klaeden legten einen Reformaufruf vor, den 150 CDU- Mitglieder unterzeichnet hatten, darunter Heiner Geißler und Christian Schwarz-Schilling. Kernpunkt: die Forderung nach einer automatischen Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kindern von Ausländern.
Im Vorfeld hatten CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble und der Rechtsexperte Rupert Scholz die Aktion der jungen Abgeordneten verhindern wollen. Vor allem die CSU schäumte. Ein Bundestagsabgeordneter meinte gar, man solle den Initiatoren „die Eier abschneiden“. Doch die Aktion der Aufmüpfigen schien sich auszuzahlen. Mitte Juli bewegte sich sogar die CSU, wenn auch nur um Zentimeter. Sie schlug einen Einbürgerungsanspruch bereits nach zehn statt fünfzehn Jahren vor. Anfang August machte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Rupert Scholz einen ernstzunehmenden Kompromißvorschlag. Einbürgerung ja, aber nur, wenn sie auf Antrag der Eltern erfolgt und wenn gleichzeitig die Staatsbürgerschaft des Heimatlandes der Eltern ruht.
Eine Einigung schien nur noch eine Frage der Zeit, zumal der Parteitag der CDU Mitte Oktober bevorstand. Eine heftige Diskussion über das emotionsgeladene Thema Staatsbürgerschaft sollte vermieden werden, es galt Helmut Kohls Jubelfeier als Rekordkanzler.
Aber die „Jungtürken“ (CSU- Jargon) ließen sich überfahren. Angeblich, um ihre Chancen auf Einigung nicht durch einen Konfrontationskurs zu gefährden, gaben sie sich mit dem Antrag zufrieden, „die Thematik noch in der ersten Hälfte des Jahres 1997 zu beraten“. Neue Hoffnung dann im April dieses Jahres. Kohl höchstselbst verlangte in einer Fraktionssitzung, „daß man bei den Kindern etwas tun muß“. Generalsekretär Peter Hintze unterbreitete einen weiteren Kompromiß: Schulkinder sollten automatisch eingebürgert werden. Die einwanderungspolitische Sprecherin der FDP, Cornelia Schmalz-Jacobsen zeigte sich im Bundestag überzeugt: „Jeder weiß, daß es eine klare Mehrheit in diesem Hause gibt.“ Kämpferisch gaben sich auch die inzwischen als „Junge Milden“ bezeichneten Abgeordneten. Sie planten eine öffentliche Anhörung im Bonner Wasserwerk. Zudem brachten sie einen parteiübergreifenden Gruppenantrag von Abgeordneten aus CDU, FDP, SPD und Bündnisgrüne ins Spiel. Ernsthafter Streit war vorprogrammiert.
Doch wieder knickten die jungen Abgeordneten ein. Im schwelenden Steuerstreit mit der SPD und der Soli-Konfrontation mit der FDP durfte nicht auch noch ein weiterer koalitionsinterner Streit dazukommen. Die FDP fiel als Druckmacher aus. Sie reizte ihr Verhandlungskonto mit der Durchsetzung der Solisenkung aus. Die öffentliche Anhörung platzte, der Gruppenantrag wurde immer weiter herausgeschoben. Fertige Pläne sollen bereits in der Schublade von Cornelia Schmalz- Jacobsen liegen. Doch dafür scheint es nun zu spät.
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