Wenn die Quellen versiegen

■ Im Oktober beschließt der Akademische Senat über die Zukunft der FU-Bibliotheken. Sollte die UB abgebaut werden, wird die überlastete StaBi wohl nicht mehr alle StudentInnen reinlassen

Literatursuche wird in Berlin allmählich zum Kraftakt. Der Sparkurs hinterläßt Spuren. So hatte die Bibliothek der Publizisten in den Semesterferien nur noch einmal pro Woche geöffnet – aus Personalgründen. „Die Bibliothek ist die Quelle für das Studium. Wenn du da nicht mal mehr rein kannst, ist das echt der Höhepunkt!“ ärgert sich Andrea, die gerade ihren Abschluß macht. Wegen Schwierigkeiten bei der Literatursuche muß sie wahrscheinlich die Prüfung verschieben.

Schlimm ist es nicht nur in den Fachbibliotheken. Ähnlich in der Dahlemer Universitätsbibliothek (UB). Die 1952 gegründete UB heißt unter Studierenden schon „Ort der tausend Frustrationen“: Braucht man ein Buch zu einem laufenden Seminar, ist es meistens schon verliehen. Bisher kein Beinbruch, denn in den Präsenzbibliotheken der Fachbereiche sind die Bücher jederzeit verfügbar – noch.

Ein Gespenst geht um in der Berliner Bibliothekenlandschaft: das viel diskutierte Gutachten über die zukünftige Struktur der FU- Bibliotheken. Ende Oktober wird der Akademische Senat darüber entscheiden. Eine zentrale UB und mehrere autarke Fachbereichsbibliotheken, das sei nicht mehr zu finanzieren. Die UB ist mit mehr als zwei Millionen Büchern nach der Staatsbibliothek die zweitgrößte wissenschaftliche Bibliothek in Berlin. Die Universitätsleitung möchte die Rolle der UB auf eine Verwaltungszentrale für die Fachbereichsbibliotheken und eine Archivbibliothek reduzieren. Ab 1998 soll sie keine Bücher mehr kaufen. Aktuelle Forschungsliteratur wird man dort dann nicht mehr finden. „Und das ist in der Regel das Ende einer Bibliothek“, meint die Leiterin der Benutzungsabteilung, Doris Fouquet.

Dann werden die Studenten längere Wege machen müssen. Oder sie nutzen eine andere Universalbibliothek, zum Beispiel die Staatsbibliothek (StaBi). Schon heute sind dort etwa 75 Prozent der 2.500 bis 3.000 täglichen Besucher Studenten. Die Lese- und Arbeitsplätze sind meistens besetzt, Wissensdurstige sitzen lesend auf dem Teppichboden. „Wir brechen unter dem Ansturm langsam zusammen“, sagt Günter Baron, stellvertretender Leiter der Staatsbibliothek. Die von Bund und Ländern getragene Einrichtung sei nicht primär für die Versorgung von StudentInnen zuständig. Diese sollte eigentlich über die Unibibliotheken erfolgen.

Sollte „dieser entfesselte Irrsinn“ (Götz Aly in der Berliner Zeitung zum Gutachten der „zukünftigen Struktur der FU-Bibliotheken“) wirklich beschlossen werden, sind restriktive Maßnahmen gegen StudentInnen, zum Beispiel die Benutzung der StaBi erst nach bestandener Zwischenprüfung, nicht auszuschließen. „Wir wollen das nicht“, sagt Günter Baron, „aber wir sehen es kommen, wenn die Entwicklung so weitergeht.“ Sabrina Ortmann