: Er schmuggelte eine Pistole in den Stammheimer Hochsicherheitstrakt und thematisierte die soziale Not in Italien. Er war zutiefst politisch - und blieb doch stets in der Tradition der Commedia dell'arte. Nun erhält Dario Fo den Literaturnob
Er schmuggelte eine Pistole in den Stammheimer Hochsicherheitstrakt und thematisierte die soziale Not in Italien.
Er war zutiefst politisch – und blieb doch stets
in der Tradition der Commedia dell'arte.
Nun erhält Dario Fo den Literaturnobelpreis
Politclown für das Proletariat
„Ist das vorstellbar? Der König ruft mich, ich komme rein: ,Guten Morgen, mein Herr‘, nicht König oder Majestät. Was zum Teufel sagt man da? Sie haben hier einen Preis für mich? Welche Ehre für mein Land. Wissen Sie auch, daß ich in Italien Auftrittsverbot habe, von der Justiz verfolgt werde und kein festes Haus besitze? Na, macht nichts. Ich habe den Preis und bin glücklich. Geben Sie mir ein Küßchen, Majestät?“
Mit diesen Worten kommentierte Dario Fo 1975 die Meldung, er sei für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen worden. Jetzt hat er ihn. Die erste Reaktion des Spötters war: „Ich bin bestürzt!“
Tatsächlich fällt der jetzt 71jährige Fo etwas aus der Liste der Nobilitäten, in der Dramatiker kaum vorkommen. Er ist kein Vertreter des sakrosankten Textes, liebt das Stegreifspiel, den Dialog mit dem Publikum, auch während der Aufführung, und er ist nicht nur Bühnenautor. Er ist Schauspieler, Pantomime, Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner, der ideale Gesamtkünstler also, und so muß unklar bleiben, wer größeren Anteil hat an seinem Erfolg seit 45 Jahren, der Autor mit dem sicheren Gespür für wirksame Stücke oder der geniale Mime.
Die Wurzeln dieses großen Komikers sind historisch wohlfundiert. In seinem didaktischen Hauptwerk „Kleines Handbuch des Schauspielers“ beginnt er mit der griechischen Komödie, nimmt sich das mittelalterliche Mysterienspiel vor und entdeckt für sich die Commedia dell'arte: „Ich bin nicht zum Theater gegangen, um den Hamlet zu spielen, sondern um ein Clown zu werden.“
So ehrt Stockholm nicht nur einen bislang ungewohnten Autorentypus, einen höchst raren zudem, der sich mit den Vorlieben und Moden des Literatur- und Theaterbetriebes nicht deckt, sondern auch einen libertären Linken, der soziales Engagement und Parteilichkeit zugunsten der Ausgebeuteten und Unterdrückten vertritt. Das Ganze natürlich mit den Mitteln der Satire, die nicht nur die Nomenklatura durch den Kakao zieht, sondern auch deren Opfer, sofern sie dumm genug sind, sich ausnehmen zu lassen.
In Deutschland hatte er seine große Zeit bis in die 70er Jahre, als es noch schick und opportun war, mit Ladendieben und Entführern hochgestellter Persönlichkeiten zu sympathisieren, die Amtskirche zu verspotten und einen armen Kommissar der politischen Polizei zu verhohnepipeln, der beim Verhör versehentlich einen Anarchisten aus dem Fenster fallen läßt.
Fo hat politisch nie abgeschworen. In Stuttgart führte er 1977 pantomimisch vor, wie kinderleicht es ist, eine Pistole in den Hochsicherheitstrakt zu schmuggeln und sich selber ins Genick zu schießen. In Italien sympathisiert er mit der Rifondazione communista.
Die von Alfred Nobel formulierten Ausschreibungsbedingungen erfüllt er trotzdem. Und ein begnadeter Bühnenautor mit mehr als 60 abendfüllenden Komödien, deren dramatischer Erfindungsreichtum, deren Sprachwut seinen Zeitgenossen um nichts nachsteht, ist er obendrein. Nun danket und seid Fo! Peter O. Chotjewitz
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