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Monströse Taranteln und Missionare

■ Reiseberichte zu Bolivien: Zwischen Abenteuerlust und christlichem Missionsauftrag

Bolivien hat im Verhältnis zu den 70er Jahren, als ein Abstecher von der Panamerikana dorthin angesagt war, an Attraktivität verloren. Dennoch bietet der deutsche Buchhandel derzeit zwei Bücher von Bolivienreisenden: zum ersten den deutschen „Missionstouristen“ Peter Gräsler, der das Land 1988 besuchte, und zum zweiten den Briten Oliver Greenfield, „ein hier und dort herumgekommenes Stadtkind, das zu den Grünen übergelaufen war“, sprich sich 1991 als Vogelschützer in einem bolivianischen Nationalpark betätigte.

Die beiden Texte könnten unterschiedlicher kaum sein. Greenfield, zum Zeitpunkt seines Bolivienaufenthalts 20 Jahre alt, ist, was die Briten „carefree“ nennen. Er will in erster Linie weg von seinem tristen Bürojob in London, und der bolivianische Regenwald ist ihm gerade weit genug. Es geht ihm auch nicht um eine angehende Analyse der bolivianischen Gesellschaft, er beschreibt einfach, was er erlebt hat. Der Vorteil dabei ist, daß er eine Menge erlebt hat. Skurrilste Vogelarten, widerliche Parasiten, monströse Taranteln, hochgiftige Schlangen, lebensgefährliche Felsabstürze, übelste Korruption, schöne Frauen. Greenfield inszeniert sich selbst, was bei einem Abenteuerbericht sein gutes Recht ist. Daß er ein elender Chauvinist ist, der bei Frauen nur auf die Länge ihrer Röcke sieht, ist allerdings nervig.

Ein ganz anderes Bild bietet Peter Gräsler. Er beschreibt einen kleinen Auschnitt der bolivianischen Gesellschaft, eine Subkultur könnte man fast sagen, die der Missionare und christlichen Entwicklungshelfer. Liest man seinen Bericht, wie er von einer Missionsstation zur nächsten, von Pater zu Frater weiterreist, so entsteht tatsächlich der Eindruck einer eigenen kleinen Welt, die seit der Eroberung Lateinamerikas Bestand hat. Und immer noch scheint es der Rechtfertigung zu bedürfen, wenn soziale Anstrengungen über die in engerem Sinne missionarischen der Christianisierung gestellt werden. Für Gräsler ist Bolivien ein Entwicklungsland im ursprünglichen Sinne. Trotzdem: lesenswert.

Was beide Autoren außer acht lassen, ist die Rolle des Kokainanbaus in Bolivien. Dabei macht der Kokainhandel nahezu ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts aus. Wer sich darüber informieren will, sei auf die Reportage von Clare Hargreaves verwiesen. Sie hat im Jahre 1991 intensive Recherchen vor Ort durchgeführt und zieht – verständlicherweise – die Bilanz, daß die Ursache des Drogenproblems nicht bei den bolivianischen Kokabauern liegt, die gar nicht daran vorbeikommen, das anzubauen, was Gewinne erzielt. Solange im „Westen“ Bedarf nach Kokain besteht, wird in Bolivien, dem ärmsten Land Südamerikas, Koka auch weiterhin angebaut werden. Martin Hager

Clare Hargreaves: „Bitterer Schnee. Eine Reportage aus dem internationalen Kokainkrieg“. München: C.H. Beck 1993. Ist leider bereits vergriffen. Die englische Originalausgabe, „Snowfields: The War on Cocaine in the Andes“. Holmes & Meier 1992, 18 $, ist aber zumindest bei der Internetbuchhandlung „Amazon“ ( http://www.amazon.com ) noch erhältlich.

Peter Gräsler: „Die Kirche Jesu braucht Begeisterte. Eine Reise zu den bayerischen und österreichischen Franziskaner-Missionaren im Südosten Boliviens“. München: Peter Glas 1989. 200 Seiten, 11,80 DM

Oliver Greenfield: „Der gehörnte Vogel. Feuertaufe in Bolivien“. Zürich: Schweizer Verlagshaus 1995. 260 Seiten, 39,80 DM. Der Band erscheint im Frühjahr 1998 als Taschenbuch bei Bastei Lübbe.

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