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Italiens Krise beschäftigt Europa

Noch ist kein neues Kabinett in Sicht. Sollte Italien nicht zur ersten Euro-Gruppe gehören, hätte das auch Folgen für alle anderen „schwachen“ Beitrittskandidaten  ■ Aus Rom Werner Raith

Manchmal, so hatte Neokommunistenchef Fausto Bertinotti unmittelbar vor dem Austritt seiner Partei aus dem Regierungsbündnis gesagt, manchmal könne ein radikaler Bruch auch befreiende Wirkung haben. Stimmt – nur kam die Erleichterung weniger über ihn und seine Getreuen als vielmehr über die anderen Fraktionen der Koalition. Einig wie noch nie haben Linksdemokraten, Volkspartei, Grüne und die anderen im Olivenbaumbündnis integrierten Splittergruppen sofort nach dem Rücktritt von Regierungschef Romano Prodi ein uneingeschränktes Festhalten an der Politik der bisherigen Regierung beschlossen. Mit großer Gelassenheit, so Linksdemokratenchef Massimo D'Alema, warten sie nun ab, was der Staatspräsident nächste Woche vorschlägt – Neuwahlen, große Koalition oder Minderheitskabinett.

Umgekehrt sitzt die Führungsriege der Neokommunisten vor einem unerwartet großen Berg von Protestfaxen. Bertinotti hatte erwartet, daß ihm wegen seines harten Kurses nach dem Bruch Tausende vordem den Linksdemokraten zugetane Bürger zulaufen würden – Fehlanzeige. Den meisten bisherigen Mitte-links-Wählern ist die Gefahr, nach weniger als eineinhalb Jahren die für Italien erstmalige Gelegenheit einer linken Regierung zu verspielen, doch offenbar zu groß.

Dennoch weiß auch Linksdemokratenchef D'Alema, daß die momentane massive Pro-Prodi- Stimmung nicht leicht in einen langfristigen politischen Erfolg umzusetzen sein wird. Im Falle von Neuwahlen wäre fraglich, ob das Olivenbaumbündnis alleine regierungsfähig sein würde. Kommt es, ohne Neuwahlen, zu einer großen Koalition, wie Silvio Berlusconi sie anbietet, müssen wesentliche Teile des bisherigen Regierungsprogramms, das den Bürgern nach Umfragen zu mehr als 70 Prozent einigermaßen zugesagt hat, umgeschrieben werden – zu Lasten der Klientel linker Parteien. Muß ein Technokraten- oder Minderheitenkabinett ran, so werden die einzelnen Parteien immer mehr für ihre Zustimmung für die einzelnen Regierungsvorhaben verlangen – just das, was man nun mit dem Ausscheiden der Neokommunisten hinter sich zu haben hoffte.

Die Auswirkungen auf Europa werden in jedem Falle spürbar sein. Schon gestern sagte EU- Währungskommissar Yves-Thibault de Silguy in Brüssel, die Teilnahme Italiens an der Währungsunion ab 1999 sei nicht sicher. Wenn dem so wäre, würden sich zwar jene freuen, die das Spaghettiland schon immer außerhalb der ersten Euro-Gruppe haben wollten – aber damit wäre auch die Aufnahme anderer, eher schwacher Länder, die sich mit ihrem Zutrittswunsch um Italien geschart hatten, nicht mehr vermittelbar; Europa würde sich erneut spalten.

Kommt es andererseits zu einer Regierung „für Europa“, wie der Staatspräsdident sie wünscht, kann diese nur bestehen, wenn sie den neuen Koalitionspartnern Rechnung trägt – und diese sind zum Teil eher europakritisch. Das heißt, Italien würde fortan in Brüssel heftig auf Neuverhandlungen drängen; auch nicht gerade eine hoffnungsfrohe Aussicht für die EU. Und kommt es zu Neuwahlen, müssen die Linksparteien den Neokommunisten Stimmen abjagen – mit Zugeständnissen gerade der Art, wie sie sie eben abgelehnt haben. Die Rechte dagegen wird aufgrund der absehbaren Instabilität erneut nationalistische Töne anschlagen. Kein Zweifel: kein künftiges Regierungsprogramm wird mehr jenen Enthusiasmus für Europa ausstrahlen, mit dem es Romano Prodi gelungen war, seinen Italienern Opfer abzuverlangen, gegen die sie noch vor kurzer Zeit zu Millionen auf die Straße gegangen wären.

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