piwik no script img

Kein Geld, keine Arbeit, kein Sinn

■ Ernüchternde Bilanz der verlängerten Ladenöffnung in Hamburg. Vor allem Geschäfte in Stadtteilen sind die Verlierer

Ein knappes Jahr nach Einführung der längeren Ladenöffnungszeiten hat der Hamburger Einzelhandel eine ernüchternde Bilanz gezogen. „Die großen Versprechungen des Wirtschaftsministers, daß 30 Milliarden Mark Mehrumsatz und 50.000 neue Arbeitsplätze entstehen werden, sind nicht eingetreten“, sagte Klaus Poetsch, der Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes des Hamburger Einzelhandels. „Woher soll der Umsatz auch kommen, bei stagnierender Kaufkraft, hoher Arbeitslosenquote und verunsicherten Verbrauchern?“

In Hamburg gibt es nach Poetschs Einschätzung einige Gewinner durch die längeren Öffnungszeiten. Profitiert hätten in erster Linie Großbetriebe auf der grünen Wiese wie Möbelhändler, Elektro- und Baumärkte sowie SB-Warenhäuser. Zudem stehen die gemanagten Einkaufszentren und die Warenhäuser in der Hamburger City auf der Gewinnerseite.

„Aber selbst in der Mönckebergstraße reicht die Besucherzahl montags bis mittwochs zwischen 18.30 Uhr und 20.00 Uhr nicht aus, um die höheren Betriebskosten abzudecken.“Dennoch sei bei Großbetrieben, Einkaufszentren und Warenhäusern die Bereitschaft am stärksten, an längeren Öffnungszeiten festzuhalten.

„Unsere Sorge gilt besonders den Strukturen des Einzelhandels in den Stadtteilen und Quartieren“, sagte Poetsch weiter. Der Verband habe eingehend an seine Mitglieder appelliert, in den einzelnen Stadtvierteln einheitliche Öffnungszeiten zu finden, doch sei dieser Appell nicht immer erfolgreich gewesen. „Viele Händler machen einfach nicht mit, weil es sich für sie nicht rechnet.“

Die Folge seien unterschiedliche Öffnungszeiten in einzelnen Einkaufsstraßen, was die Qualität der Standorte mindere und Kunden wie Kaufkraft zum Einkaufen in anderen Gegenden veranlassen könnte. „Die Stadtteile könnten austrocknen; wir fürchten um die bewährten Nahversorgungsstrukturen“, sagte Poetsch.

Dennoch gebe es kein Zurück zur alten Regelung. Bewährt habe sich an den guten Standorten die Öffnungszeit am Sonnabend bis 16 Uhr. Hier kann sich Poetsch in einigen Jahren sogar eine weitere Verlängerung bis 18 Uhr vorstellen.

Nennenswert neue Arbeitsplätze hätten die neuen Öffnungszeiten allerdings nicht gebracht. Nach einer bundesweiten Untersuchung hätten nur 15 Prozent der Einzelhandelsbetriebe zusätzliches Personal eingesetzt, entweder durch längere Beschäftigung von Teilzeitkräften oder Neueinstellungen. Beim zusätzlichen Personal entfielen 40 Prozent auf 610-DM-Kräfte. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen