: Laurent Brochard und Alessandra Cappellotto holen Gold
■ Eine ETA-Bombe sorgt für Konfusion beim Frauenrennen der Rad-WM in San Sebastián. Zeitfahr-Weltmeisterin Longo wird 49., der Deutsche Udo Bölts gewinnt die „Holzmedaille“
San Sebastián (taz) – Der Franzose Laurent Brochard ist neuer Straßenweltmeister im Radsport. Er siegte gestern in San Sebastián nach 256,5 km im Spurt einer Spitzengruppe in 6:16:48 Stunden vor dem Dänen Bo Hamburger und dem Niederländer Leon van Bon. Mitfavorit Udo Bölts aus Heltersberg fuhr bestens mit und landete auf Rang vier. „Vierter Platz ist die Holzmedaille – aber was soll es“, sagte der Telekom-Profi.
Tags zuvor war die deutsche Fahrerin Hanka Kupfernagel nach ihrem Ausreißversuch in der zweiten Runde des über 108 Kilometer führenden WM-Straßenrennens gerade vom Hauptfeld eingeholt worden, als sich mit einem lauten Knall die politische Realität des Baskenlandes meldete. Die Separatistenorganisation ETA versuchte die weltweite Öffentlichkeit der Rad-WM auf ihre Art zu nutzen und zündete in nur 400 Meter Entfernung von der Ziellinie beim Vorbeifahren einer Patrouille der Guardia Civil eine Autobombe.
Die Reporter, die im Zielbereich auf Interviews lauerten, fanden sich in Windeseile am Ort des Geschehens und berichteten über den Gesundheitszustand der vier verletzten Beamten. Jaime Ugarte, WM-Organisationsdirektor, gab sich erstaunt über das Attentat: „Wir hatten absolut keine Drohung erhalten“. In der Vergangenheit hatte die ETA bei vergleichbaren Veranstaltungen, wie der Etappenankunft der Tour de France in Pamplona 1996, im Vorfeld Aktionen angekündigt. Die Fahrerinnen und der Großteil des Publikums an der Strecke wurden von der Rennleitung erst im nachhinein informiert.
Entsprechend ausgelassen war die Stimmung beim „Fabiana-Luperini-Fanclub“. Die Anhänger der italienischen Tour- und Giro- Siegerin campierten bereits seit Wochenbeginn an der Steigung hinauf nach Oriamendi. Und das, obwohl dieser Berg für die Kletterspezialistin mit dem Spitznamen „Pantanina“ viel zu niedrig war, um im Kampf um den WM-Sieg mitmischen zu können. Luperini entsprach allen Prognosen und fuhr am Ende des Hauptfeldes auf Platz 51 ins Ziel – zwei Plätze hinter Jeannie Longo-Ciprelli. Von der zwölffachen Weltmeisterin aus Frankreich war nach ihrem Titelgewinn im Zeitfahren erheblich mehr erwartet worden.
Doch den beiden Spitzenfahrerinnen waren die Hände gebunden durch eine fünfköpfige Ausreißerinnengruppe, in der sich ihre Teamgefährtinnen Alessandra Cappellotto und Catherine Marsal befanden. Cappellotto war mit der Empfehlung mehrerer Etappensiege bei Tour und Giro gekommen. Sie schaltete sich kaum in die Führungsarbeit ein und konnte am Ende um Haaresbreite ins Regenbogentrikot schlüpfen.
Selbst die überschwenglichen italienischen Fans wagten ihren Spurtsieg gegen die Australierin Elisabeth Tadich und die Französin Marsal erst nach der zweiten Zeitlupenwiederholung zu feiern. Die Deutsche Kupfernagel wurde siebte. Für sie gilt, womit sich gestern auch Udo Bölts tröstete: „Im nächsten Jahr gibt es einen neuen Versuch.“ Joachim Quandt
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