Italiens Präsident hat die Qual der Wahl

Soll er sofort eine neue Linksregierung bilden lassen, und zwar mit den Neokommunisten? Oder erst nach Neuwahlen, und dafür ohne die Neokommunisten? Oder soll es eine Rechtsregierung sein? Und mit wem?  ■ Aus Rom Werner Raith

Als habe nicht ausgerechnet er durch seine überaus hartleibige Ablehnung des Hauhaltsfinanzierungsgesetzes die Mitte-Links-Regierung von Romano Prodi gestürzt, hat der Chef der italienischen Neokommunisten, Fausto Bertinotti, dem Staatspräsidenten bei dessen Konsultationen zur Lösung der Regierungskrise nun eine Neuauflage der alten Koalition vorgeschlagen – eine auf ein Jahr projektierte „Programmregierung“ zur Verabschiedung des Haushalts, der Rentenreform, der Arbeitszeitverkürzung und der Sanierung des Gesundheitswesens.

Wiewohl allerhand von Taktierer Bertinotti gewohnt, verschlug es den anderen Parteien zunächst einmal die Sprache. Erst Stunden später kommentierte Linksdemokratenchef Massimo D'Alema, „wenn die Sache ernstgemeint“ sei, könne „man darüber reden“, doch „wenn Bertinotti meint, er könne nun wieder vom Nullpunkt an verhandeln, täuscht er sich“. Und der zurückgetretene Regierungschef Prodi kann „nur schwer daran glauben, daß sich die Neokommunisten wirklich an derlei Absprachen halten“ würden. Lediglich den moderaten Fraktionen der bisherigen Koalition kommt Bertinottis neue Linie entgegen – sie fürchten, daß die Linksdemokraten (PDS) Neuwahlen durchsetzen wollen, die zu Lasten kleinerer Parteien gehen würden.

Italiens Medien sehen in Bertinottis neuem Kurs die Reaktion auf das überwältigend negative Echo auch in seinem eigenen Parteivolk auf den von ihm provozierten Bruch der ersten linken Regierung Italiens seit dem Zweiten Weltkrieg.

Streit innerhalb der Neokommunisten

So hat sich inzwischen auch innerhalb der Fraktionen der Neokommunisten eine massive Auseinandersetzung entwickelt, ob man die erste Linkserfahrung Italiens tatsächlich so sang- und klanglos beerdigen solle. Parteipräsident Armando Cossutta, seit seiner Ablösung als Generalsekretär der von ihm 1991 gegründeten Rifondazione comunista durch Bertinotti auf Rache aus, fordert nun gar, ins Kabinett einzutreten – bisher hatten die Neokommunisten die Regierung nur toleriert. Vorgezogene Neuwahlen würden sich damit erübrigen.

Verwirrung herrscht allerdings auch bei der Rechten. Silvio Berlusconi, bisheriger Oppositionsführer, hatte Bertinottis neuen Schritt offenbar nicht mitbekommen, jedenfalls wählte er den denkbar ungünstigsten Moment für eine ansonsten spektakuläre Mitteilung; er werde bei Neuwahlen nicht mehr das Amt des Regierungschefs anstreben, sondern nur noch als „Regisseur“ des Rechtsbündnisses antreten. Sollte Berlusconi dabei bleiben, wäre der aussichtsreichste Kandidat für die Führung des Rechtsbündnisses aus Forza Italia, Nationaler Allianz und Splittern der eingegangenen Christdemokratie nun Mario Monti, den Berlusconi vor drei Jahren als Kommissar nach Brüssel geschickt hatte. Monti würde ein wirkungsvolles Gegengewicht gegen Prodi darstellen, denn beide sind als Wirtschaftsfachleute ausgewiesen.

Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro setzt inzwischen seine Beratungen fort. Mitte der Woche soll er verkünden, zu welchen Ergebnissen er gekommen ist.