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Der Stocknagel geht am Stock

Sinkende Umsätze bei den deutschen Souvenirherstellern. Weniger Kurgäste bedeuten weniger Mitbringsel. Die Hoffnung liegt auf Touristen aus den USA  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Was Bierkrüge „für den lieben Vater“ oder Kleiderbügel mit dem Aufdruck „Rentner, kein Grund zum Aufhängen“ nicht schaffen, werden wohl auch das brandneue Stirnband mit eingebauter Kühlung, der abwaschbare Stundenplan oder der Wanderstock mit Klingel und integriertem Flachmann nicht erreichen: Die Abwärtstendenz der deutschen Souvenir- und Geschenkehersteller umzukehren. Wurden im Jahr 1995 noch Mitbringsel für rund fünf Milliarden Mark verkauft, werden es Ende diesen Jahres eine Milliarde weniger sein.

„Die Branche ist am Boden angekommen“, bilanzierte der Vorsitzende des Bundesverbands Souvenir Festival, Horst Stöckelmaier, anläßlich der heute zu Ende gehenden Internationalen Fachmesse für Souvenir-, Geschenk- und Festartikel in Nürnberg. 284 Aussteller zeigten drei Tage lang vom Abziehbild bis zum Zinnteller allerlei Produkte, mit denen sie auf veränderte Kaufgewohnheiten der Urlauber reagieren wollen.

Doch das eigentliche Problem der gesamten Branche mit ihren 24.000 Arbeitsplätzen ist das Ausbleiben der Urlauber. Nicht nur der anhaltende Boom bei den Fernreisen läßt im Inland die Übernachtungszahlen um sechs Prozent nach unten gehen. Die Gesundheitsreform sorgte mit ihren empfindlichen Einschnitten bei den Kuren in den Heilbädern für einen durchschnittlichen Rückgang von 28,3 Prozent in der ersten Jahreshälfte, mancherorts gar von 60 Prozent. Ohne Kuraufenthalt gibt es aber auch kein Mitbringsel aus demselben.

Dazu kommen Modetrends, denen die Produkte der traditionsbehafteten Mittelstands- und Familienbetriebe nicht mehr entsprechen. Das verspürt Verbandschef Stöckelmaier am eigenen Leib. Sein Allgäuer Familienunternehmen produziert seit Jahrzehnten sogenannte Stocknägel. Das sind die kleinen Blechschilder für den Wanderstock, die signalisieren sollen, wo man schon überall gewesen ist. In den letzten Jahren hat sich jedoch der zusammenschiebbare Teleskopstock durchgesetzt. Trophäen lassen sich daran nicht mehr befestigen.

Wie gut, daß da wenigstens die Kuhglocken in allen Größen und Preisklassen weggehen wie eh und je. Auch der in Rumänien gefertigte Tirolerhut aus reiner Schafschurwolle findet nicht nur bei den amerikanischen Touristen seinen Liebhaber. Wer auf das Echte setzt, verschmäht die Billigvariante aus Antilopen- oder gar Roßhaar und legt für einen 20 cm langen Gamsbart auch 6.000 Mark auf den Ladentisch. Nur bei der beliebten Zierde aus Eichelhäher- Federn kommt der Echtheitsfetischist nicht weit. Da ist das Washingtoner Artenschutzabkommen vor.

Für die ovalen Holztäfelchen mit mehr oder weniger sinnigen Sprüchen gibt es dagegen keinen Artenschutz. So ist jeder Spruch erlaubt und nahezu alles wird verkauft. Der diesjährige bundesweite Renner ist der Satz: „Wer spart, hungert bloß für die Erben.“ Im Osten dagegen gehen Trinksprüche am besten. Ein auf einer dunkelgebeizten Holzplatte montiertes Thermometer mit dem Spruch „Das wichtigste am Rasenmähen ist das Tanken“ muß mittlerweile in nahezu jedem ostdeutschen Gartenhäuschen hängen, so oft ging es schon über den Ladentisch.

Obwohl die Souvenirs in dem über 200 Firmen zählenden Bundesverband immer noch die bedeutendste Rolle spielen, sind vor allem Fanartikel auf dem Vormarsch.

Etwa 300.000 Vereine in Deutschland und ihre Anhänger geben rund drei Milliarden Mark pro Jahr für Wimpel, Anstecker, Aufkleber, Kappen, Bierdeckel, Schals oder Jacken aus. „Schon fast jeder Schützenverein will solche Clubartikel“, betont Stöckelmaier zufrieden.

Was den Souvenirherstellern aber fehlt, ist eine detaillierte Analyse des inländischen Marktes und der internationalen Wettbewerbsstrukturen. Die soll nun der Lehrstuhl für Tourismuswirtschaft an der Technischen Universität Dresden erstellen. Erste Ergebnisse werden allerdings erst in zwei Jahren vorliegen.

Bis dahin bleibt Verbandschef Stöckelmaier nichts anderes übrig, als auf leicht zunehmende Touristenzahlen aus Fernost und den USA sowie steigende Exporte zu setzen. Vielleicht bringen die deutschen Urlauber dann eben aus der Karibik eine original Schwarzwälder Kuckucksuhr oder einen Thüringer Bierkrug in Form eines Hirschkopfes als Mitbringsel mit.

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