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Rauchen ist eine Sucht und zudem auch nicht förderlich für die Fortpflanzung

■ Deutsche Politiker streiten noch um ein Nichtraucherschutzgesetz. Seine Befürworter erhoffen sich neuen Rückenwind aus den USA

Berlin (taz) – Paare, die rauchen, haben seltener Sex. Das Sperma von Rauchern ist von minderer Güte, ebenso wie die Eizellen von Raucherinnen. Frauen, die täglich zehn Zigaretten inhalieren, kommen ein Jahr früher in die Wechseljahre. Wilfried Feichinger von der Universität Wien trug seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Rauchen am Freitag vor. Allerorten machen Forscher mit starken Worten auf die Sucht nach dem Qualm aufmerksam.

Massive Auswirkungen durch unfreiwilligen Tabakgenuß machen Wissenschaftler auch für Passivraucher aus. Ginge es nach dem Willen von 136 Bundestagsabgeordneten aus allen Parteien, hätten wir auch in Deutschland bald amerikanische Verhältnisse. Für striktes Nichtrauchen in öffentlichen Gebäuden und am Arbeitsplatz plädierten vergangene Woche Suchtexperten und Mediziner in einer Anhörung des Bundestages. Wer dennoch pafft, soll künftig Buße zahlen – 100 Mark pro Zigarette.

Das Einatmen von Kohlenwasserstoffen, Nitrosamin, Schwermetallen, radioaktiven Substanzen, Blausäure, Formaldehyd, Benzol und Pestizidrückständen kann nicht nur die Raucher selbst krank machen. Auch Niktionverächter sind in verqualmter Umgebung den krebserregenden Stoffen ausgesetzt. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums errechneten im vergangenen Jahr 400 Todesfälle durch Lungenkrebs, die allein aufs Passivrauchen zurückzuführen seien. Die Gesellschaft für Umwelt und Gesundheit hat festgestellt, daß Mitraucher ein um den Faktor 1,5 erhöhtes Lungenkrebsriskio haben. Und diejenigen, die sich zehn bis 15 Jahre in stark verrauchten Arbeitsräumen aufhalten müssen, tragen ein doppelt so hohes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Doppelt so hoch sei auch das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, fanden Wissenschaftler der Harvard University heraus.

Vor den Ergebnissen der neuen Studien gingen am Wochenende die großen US-Zigarettenkonzerne in die Knie. Und das wird es der hiesigen Anti-Raucher-Lobby künftig leichter machen. Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft erhofft sich nach dem Vergleich in Miami Schützenhilfe für die Durchsetzung eines Nichtraucherschutzgesetzes, das Ende des Jahres verabschiedet werden soll.

Jeder, so die Gewerkschaft, solle einen Rechtsanspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz haben. Derzeit können Betrieb und Betriebsrat nur freiwillig qualmfreie Arbeitsplätze miteinander aushandeln. Ob es jedoch zu einer gesetzlichen Regelung kommen wird, ist fraglich. Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) wandte sich gestern abermals dagegen. Es gebe genügend Möglichkeiten, das Rauchen zu verbieten. In Krankenhäusern und anderen öffentlichen Gebäuden reiche für ein Verbot ein Hinweis auf das Hausrecht. Der Minister setzt auf Aufklärungskampagnen nach dem Motto „Ohne Rauch geht's auch“. So hätten 1973 noch 58 Prozent aller Jugendlichen geraucht. Vor vier Jahren seien es 44 Prozent gewesen.

Einsicht statt Zwang. Auf diese Devise mögen Politiker wie der Berliner gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Bernd Köppl, nicht hoffen. Nichtraucher bräuchten ein „gesetzlich geschütztes Recht auf eine giftfreie Umgebung“, verlangte er in der taz, „um so von dem elenden Zustand devoter Bittsteller befreit zu werden“.

Wie kann ein rauchfreier, drogenfreier Zustand erreicht werden? Ganz einfach, meint William Burroughs, kürzlich verstorbener Schriftsteller aus den USA. In seinen letzten Notaten empfiehlt er den Griff zum Skapell: „Die Drogenrezeptoren im Gehirn kann man chirurgisch entfernen.“ Wer den Eingriff verweigere, der bekomme keine Wohnung, keine Sozialversicherung. Und: „Kein Recht auf Erwerb und Besitz einer Schußwaffe.“ Annette Rogalla

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