: Türkei ändert Rückbürgerung
„Staatsangehörigkeit light“: Erlaß der Regierung Yilmaz verbietet, daß Türken mit deutscher Staatsangehörigkeit wieder volle Bürgerrechte in der Türkei erwerben ■ Von Marina Mai
Berlin (taz) – In der Bundesrepublik lebende Türken, die die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben, dürfen jetzt nicht mehr die türkische Staatsangehörigkeit zurückerwerben und damit „durch die Hintertür“ Doppelstaatsbürger werden. Der türkische Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz hat dazu auf Drängen der Bundesregierung einen Erlaß herausgegeben, der das vor zwei Jahren vom Parlament verabschiedete Gesetz Nr. 4112 erheblich modifiziert.
Nichtdeutsche Staatsbürger müssen, wenn sie Deutsche werden wollen, ihre alte Staatsangehörigkeit aufgeben. Nach türkischem Recht ist jedoch eine Doppelstaatsangehörigkeit prinzipiell möglich. Mit dem 1995 verabschiedeten Gesetz über den Rückerwerb der türkischen Staatsangehörigkeit an eingedeutschte ehemalige Türken wurde dieses Rechtsverständnis im türkischen Recht umgesetzt. Damit wurden bei den türkischen Einwanderern rechtliche und psychologische Barrieren gegen die Übernahme der deutschen Staatsangehörigkeit abgebaut. Seither haben viele Tausende türkische Migranten die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt.
Bei seiner kürzlichen Bonn-Visite hat Bundeskanzler Helmut Kohl dem türkischen Ministerpräsidenten abgerungen, dies rückgängig zu machen. Der türkische Botschafter in Bonn, Volkan Vural, hat in der letzten Woche deutsche und türkische Doppelstaatsbürger aufgefordert, bei den Konsulaten eine „Bescheinigung des Präsidenten des Einwohnermeldeamtes der Türkei über die Nutzung der Rechte aus dem Gesetz Nr. 4112“ zu beantragen. Ihre bisherigen Pässe werden nicht mehr verlängert. Auch ehemalige türkische Staatsbürger, die ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit ganz aufgaben, können die Karte beantragen. Mit ihr stünden ihnen eine Reihe von Rechten aus der türkischen Staatsbürgerschaft zu, das aktive und passive Wahlrecht ausgenommen. Mit dieser „Staatsangehörigkeit light“ würden „die deutsche Gesetzgebung als auch die Sorge der türkischen Bürger um den Verlust der türkischen Staatsangehörigkeit“ berücksichtigt werden.
Abgeordnete der Grünen und der PDS kritisierten die deutsch- türkische Geheimdiplomatie. Bevor das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht grundlegend reformiert wurde, drängte die Bonner Regierung die Türkei, ein Schlupfloch für Doppelstaatsangehörige zu stopfen. Der bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir befürwortet prinzipiell, daß um eine rechtliche Regelung für türkische Migranten gerungen wurde. Allerdings hätten die Regierungen nicht hinter verschlossenen Türen verhandeln dürfen. „Die Betroffenen wurden nicht einbezogen. Das führt zu großer Unsicherheit bei ihnen.“ Für den Berliner PDS-Abgeordneten Giyas Sayan fehlt dem Erlaß des Ministerpräsidenten eine gesetzliche Grundlage. Es sei wieder unklar, was aus Rentenansprüchen und Transportrechten beim Umzug der ehemaligen Doppelstaatsbürger in die Türkei werde. „Der Effekt, daß viele türkische Staatsbürger jetzt aus Angst auf die Beantragung der deutschen Staatsangehörigkeit verzichten, ist von der Bundesregierung gewollt.“
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