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Riesige Bilder, Kunst eben!

■ Zehn große, graue Stellwände im Dialog mit Bremer BürgerInnen

Eine große, graue Stellwand zeigt der Welt ein Exemplar Fotokunst. Darauf zu sehen sind ein ernster, erdverkrusteter Mann und zwei Worte. Diese befehlen Ihnen und Ihnen und Ihnen: „Sehen Sie“. Gehorchen tut ihm kaum einer. Der Beipackzettel zum Bild spricht: „Torsten Ebker fordert in großen Lettern zum Sehen auf. Bewußt zu sehen fällt uns in der Hektik der Großstädte schwer.“Wie wahr. Eine Passantin spricht: „Sie meinen diese rattengrauen Betonmonster. Find ich toll. Wunderschöne Präsentation. Gutes Design. ... Ne, was auf den Fotos zu sehen ist, könnte ich jetzt nicht sagen. Kunst eben.“Eine andere Fototafel mit rotem Satinvorhang säuselt: „A.T.Schaefer läßt den Vorhang des Stadttheaters geschlossen, damit Sie das Vergnügen haben, das Geheimnis selbst zu lösen.“Und wie die Passanten Geheimnisse lüften! „Klar habe ich die Dinger registriert. Man läuft schließlich nicht an allem sinnlos vorbei. Diese Tafeln sehen genau so aus wie die große, neue Videoleinwand im Bahnhof. Man denkt, da flirren Bilder, hechtet hin – und dann ist nur Werbung dran. Ist ein gemeiner Trick – finde ich.“

Vor dreißig Jahren unternahm die Kunst dreiste, hoffnungsfrohe Annäherungsversuche an die Warenwelt: Campbell Suppendosen und so. Die Warenwelt war gerührt und flirtete zurück, sponserte hier, künstelte da – in Design, Stoffaufdruck und Armbanduhrgestaltung. Die Kunst hat es geschafft. Endlich wird sie nicht mehr ausgeschlossen, mißachtet, vernachlässigt. Sie ist Teil des wunderbaren Lebens, also auch des wunderbaren Kon-sumflackerns – und wird genauso wahrgenommen wie diese: sehr, sehr flüchtig nämlich.

Circa die Hälfte der Bremer halten die großen Grauen für Werbeplakate; und die schaut man nicht genau an. Schließlich sollen sie subliminal wirken, hinterfotzig, auf das Unterbewußte, hat man so gelernt.

Von sechzehn befragten Passanten konnte sich genau einer erinnern an ein Bildmotiv. Dieser eine ist von Beruf Fotograf. Er findet die Bildauswahl kompetent, das Konzept von Bildkunst im öffentlichen Raum hochinteressant, – doch die tatsächliche Wirkung enttäuschend. „Niemand bleibt stehen, kein Mensch liest sich die Texttafeln an den Rändern durch. Heute hat nichts mehr eine Chance wahrgenommen zu werden, es sei denn es flimmert oder zieht sich zurück in die geschützten Räume der Museen.“Wirr und komplex sind die Verschränkungen zwischen Kunst und Wirtschaft geworden: Die Deutsche Städte-Reklame (DSR), laut Selbstbeweihräucherung „Marktführer für Außenwerbung“, ist 75 Jahre alt geworden und leistet sich zu ihrem Geburtstag ein bißchen Kunst. Die präsentiert sie branchengerecht wie Werbung: auf Plakaten. Die „Deutschen Fototage“wählten – wirklich sehr geschmackssicher – aus. Fotos von Auto-Innenräumen, Schauspielern, Akrobaten philosophieren bewundernswert einfühlsam über alle wichtigen Themen der Großstadt: über die Selbstinszenierung der Stadtflaneure, über die Großartigkeit einer schlichten Tulpe, über die Flüchtigkeit der Blicke – und unterliegt selbst hoffnungslos dieser Flüchtigkeit.

Keine Frage: Die zehn Tafeln sind schön. Auf Dauer aber entwertet die miese Durchmischung von Kunst, Sponsering, Werbung die Kunst restlos – bis sie im Trubel verschwindet. Morgen werden die Tafeln aus dem Stadtbild verschwinden. Vielleicht merken wir wenigstens das Loch, das sie hinterlassen. bk

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