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Der Abfallkonsens landet auf dem Müll

■ Eklat bei Verhandlungen über Zukunft der Abfallpolitik: BSR und Bewag bezeichnen Senatsgutachten als unseriös und tendenziös. Prognosen über Müllmengen liegen weit auseinander. Verhandlungsabschluß zu

Eine Einigung im Mediationsverfahren über die zukünftige Müllpolitik ist in weite Ferne gerückt. Denn im Gegensatz zu den Umweltverbänden und der Umweltverwaltung gehen BSR und Bewag weiter von mehr Abfall und dem Bedarf für eine zusätzliche Müllverbrennungsanlage (MVA) aus. Das ist der Kern einer Stellungnahme, die BSR und Bewag vergangene Woche überraschend vorlegten: Nach Meinung der Unternehmen ist das im August vorgelegte Gutachten der Umweltverwaltung über die zu erwartende Müllmenge in Berlin „tendenziös, unrealistisch und keine belastbare Planungsgrundlage“.

Hintergrund ist der Streit um die Größe des Berliner Müllberges und seine Beseitigung. Unter Senator Volker Hassemer (CDU) errechnete die Umweltverwaltung für das Jahr 2005 einen Bedarf für die Verbrennung von 1,4 Millionen Tonnen jährlich. Sein Nachfolger Peter Strieder (SPD) wollte diese Einschätzung überprüfen lassen. Er startete im April 1997 ein Mediationsverfahren, in dem die potentiellen Betreiber BSR und Bewag, Umweltgruppen, Bürgerinitiativen und die Umweltverwaltung bis Anfang 1998 einen tragfähigen Kompromiß finden sollen.

Das aber erscheint nun schwieriger als je zuvor. Bereits im August legte die Umweltverwaltung ein Gutachten des Öko-Instituts Darmstadt und der Berliner Firma G.A.T. vor, nach dem sich die Müllmenge von jetzt etwa 1,6 Millionen Tonnen drastisch reduziert: Bei anhaltendem Trend sinke das Aufkommen um 40 Prozent auf etwa 960.000 Tonnen. Bei verstärkten Reduktionsbemühungen könne der Anteil sogar um 50 Prozent auf rund 860.000 Tonnen gedrückt werden. „Alle Planungen für neue Müllverbrennungsanlagen sind damit überholt“, triumphierten die Umweltverbände, Bürgerinitiativen und die Grünen.

Zu früh gefreut: Bewag und BSR wollen ihre Pläne nicht so schnell aufgeben. Obwohl in den Sitzungen der Mediation „die Gutachter hundert Fragen der Industrie zur vollen Zufriedenheit beantworteten“, so Thomas Kreutzer vom „Müll Initiativ Forum“, fuhren die möglichen Betreiber schweres Geschütz auf: In dem jetzt vorgelegten Papier werfen sie dem Gutachten vor, mit falschen Daten zu arbeiten, Rechen- und Übertragungsfehler nicht zu korrigieren und insgesamt die Daten tendenziös auszuwählen. Die Mengenszenarien seien unrealistisch. Erreichbar sei höchstens eine Reduzierung um etwa 28 Prozent auf insgesamt 1,2 Millionen Tonnen.

Das bedeutet den Bedarf für eine weitere MVA. Daß die von der Bewag ohnehin geplant wird, argwöhnen die Umweltverbände seit langem: Immerhin hat der Energieversorger für eine MVA in Lichtenberg bereits einen Termin für die Umweltverträglichkeitsprüfung hinter sich gebracht und wirbt in einer Branchenzeitung damit, die Anlage sei „weit fortgeschritten, ausgereift und belastbar“ und werde „spätestens ab 2002 die Entsorgung für eine Million Einwohner gewährleisten“.

Mit der harschen Kritik an dem Gutachten haben BSR und Bewag „die gemeinsame Arbeitsgrundlage verlassen“, meinte die grüne Abgeordnete Judith Demba. Man müsse jetzt erst klären, ob die Verhandlungen noch Sinn machten. Die Umweltverwaltung wiederum steht zu ihrem Gutachten. „Wenn die Beteiligten schlau sind, präsentieren sie bis Anfang 1998 ein gemeinsames Ergebnis“, meinte Strieder-Referent Philipp Mühlberg. Wenn es Mängel an dem Gutachten gebe, sollten BSR und Bewag sie nachweisen. Ein geplanter Endbericht für Anfang 1998 sei fraglich – notfalls sei eine Verlängerung der Mediation durchaus denkbar. Bernhard Pötter

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