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Der Opferstoff, aus dem die Helden sind

■ Mediensammler Klaus Theweleit über die Produktionseinheit Paar

Wer als unschuldig-unbescholtener Mann oder, besser noch, als unentschuldbar männerbündisch schwitzendes Triebvehikel das Wesen der Frau nur in ihrer Anmut und Zartheit zu erkennen glaubt, und insgeheim – ganz wilhelminisch-faschistoider Offizier und Gentleman oder doch nur wieder Laumann – an die zarten Fesseln seines über alles geliebten Reitpferdes oder eines anderen Naturwesens denkt; wer, schlimmer noch, ganz und gar unberührt von solcher Attitüde sich einer zwangsheterosexualisierten Lebensgemeinschaft erfreut und dabei echt-ehrlich glücklich ist; wer tatsächlich immer noch findet, Männer und Frauen müßten füreinander dasein, in Liebe verschworen und der konkreten Utopie des Paares verpflichtet ... tja, der/die ist selbst schuld und wird mit Theweleit nicht unter 1000 Seiten bestraft.

Klaus Theweleit, ein psychoanalytisch imprägnierter Schreiber, gehört zu den ernsten Männern, die dicke Bücher schreiben. Seit der umfangreichen sowie gewichtigen Veröffentlichung Männerphantasien mutet er uns mit seinen „ungebetenen Biographien“nicht immer willkommene Einsichten zu. Die erste Zumutung: Das Paar, egal ob hetero- oder anders sexualisiert, ist eine Produktionseinheit, in der sich beide Hälften nützen können, in der aber fast immer das Weibliche der aparte Stoff ist, aus dem Männerphantasien wirklich werden. Die Produktion von Wirklichkeiten ist mörderisch, sie fordert unvermeidlich ihr – feminines – Opfer.

Das scheint für den wilhelminisch-faschistischen Gewaltkörper des Mannes, dessen strotzende Manneskraft ihm ein schlecht verstandener Nietzsche als schlicht übermenschlich souffliert, ganz selbstverständlich. Seine gleich auf die Zeitdimension des Tausendjährigen Reiches hochgerechnete Weltschöpfungsanstrengung begründet sich auf die Auslöschung all dessen, was anders ist. Doch Theweleit interessieren nicht nur die Erscheinungsformen faschistischer Männergewalt, sondern auch die Wirklichkeitsmodelle derjenigen, die sich gerade nicht als Faschisten verstanden wissen wollen. In seinem mehrbändigen Buch der Könige untersucht er Künstler und ihren mehr oder weniger alltäglichen Kannibalismus.

In der Tat gibt es hier zahllose Beispiele: Bert Brecht oder Pablo Picasso und ihre rackernden Frauen; Kafka und seine in der Ferne schmorende, derart entfernt aber durchaus die literarische Produktion anregende Felice Bauer; Timothy Leary, der sich erst mit LSD beschäftigte, als seine erste Frau tot war; Alfred Hitchcock und seine Ehefrau Alma Reville, eine gelernte Cutterin, die ihm zuliebe ihre Regieambitionen aufgab; Godard, Heiner Müller und so weiter und so fort, das ganze Sündenregister unseres kultivierten Abendlandes herauf und herunter. Immer opfert der Frauenpart innerhalb dieser künstlerischen Produktionseinheiten etwas, seine Arbeitskraft, seine Freiheit, Würde, am besten gleich das Leben. Auch ein Kurt Cobain gleicht diese Bilanz nicht wesentlich aus.

Der Ort der Kunst ist eine Opferstatt. Da trifft es sich gut, daß Theweleit zur Semestereröffnung an der Hochschule für bildende Künste hoffentlich eine seiner Zumutungen zum Besten geben wird.

Christian Schlüter

heute, 11 Uhr, Hochschule für bildende Künste, Lerchenfeld 2

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