Kein stilles Örtchen in Mitte

■ Seltsame Behördenlogik: Die Tanzschule Schmidt neben den Hackeschen Höfen bekommt keine Genehmigung für Tanzschule mit Ausschank. Behörden befürchten "problembeladenes Publikum"

Begonnen hatte alles mit einem Umzug. Im Frühjahr 1996 mußte sich Sybille Schmidt, Inhaberin einer Tanzschule, auf die Suche nach neuen Räumen machen. Nur kurze Zeit später fiel ihr Auge auf eine leere Etage in einem Gebäude neben den Hackeschen Höfen. Schmidt mietete die Räume und beantragte im September vergangenen Jahres eine Gewerbeerlaubnis. Eine Wahl mit schwerwiegenden Folgen: Heute, nach fast einem Jahr, hat die zierliche Musikwissenschaftlerin einen Canossagang durch unzählige Ämter hinter sich. „Ich bin mit meinen Nerven am Ende“, stöhnt sie. Die Gewerbeerlaubnis für ihre Tanzschule steht immer noch aus.

Im Oktober 1996 hatte Schmidt einen Bauantrag für den notwendigen Lärmschutz und Renovierung gestellt. Die für den Antrag notwendigen Stellungnahmen verschiedener Ämter wie des Denkmalschutz- und Gesundheitsschutzamtes lagen im Juni dieses Jahres schließlich vor. Beim Stadtplanungsamt und Umweltamt herrscht dagegen noch heute Funkstille.

Eine Stellungnahme der Amtsleiter ist aus „Datenschutzgründen“ nicht zu bekommen. Nur Jost Hübner von der Investorenleitstelle der Wirtschaftsverwaltung erklärt sich bereit, über den Fall Schmidt Auskunft zu geben. Hübner ist für die Unterstützung zukünftiger Investoren zuständig. Der Knackpunkt bei dem nicht enden wollenden Verfahren sei die von Schmidt beantragte „besondere Betriebsart“, erläutert er. Bei einer Tanzschule mit Ausschank, die zu den „Vergnügungsstätten“ zähle, gingen die Ämter von einem „besonders lauten und problembeladenen Publikum“ aus. Vergnügungsstätten dürften laut Landesgesetz jedoch nur in Gegenden errichtet werden, in denen der Wohnanteil nicht zu hoch ist. „Dieser Anteil muß erst noch festgestellt werden, weil es in dem Gebiet um die Hackeschen Höfe viele leere Räume gibt“, erläutert Hübner. Kuriose Beamtenlogik: Eine Kneipe hätte die Antragstellerin Schmidt laut Hübner „ohne Probleme“ eröffnen können.

Kurios mutet auch ein Mißverständnis bei der Betriebsbeschreibung an. Das Bauamt hatte Schmidt hierzu ein Antragsformular gegeben. Unter mehreren vorgegebenen Möglichkeiten auf dem Papier kreuzte sie die Formulierung „Tanzvorführungen zur Schaustellung von Personen“ an. Eine Formulierung in schönstem Beamtendeutsch, die nicht etwa die Vorführung klassischer Tänze, sondern nackter Frauenbeine meint: Da Schmidt in ihrer Tanzschule „Video- und Filmvorführungen“ und „Striptease“ vorsehe, könne es sich nicht, wie von ihr beantragt, um eine Sport- und Kulturstätte handeln. Dieser Widerspruch sei zu klären, schrieb das Bauamt. „Ich hatte bei meinen Angaben eigentlich nur an Vorführungen lateinamerikanischer Tänze gedacht“, meint Schmidt kopfschüttelnd. Weitere „Mißverständnisse“ folgten: „Nach einem Jahr hat das Bauaufsichtsamt uns erklärt, den Antrag auf einen Ausschank vergessen zu haben“, entrüstet sich die Architektin Heckmann. „Dabei hat der Amtsleiter den Eingang des Antrages persönlich bestätigt!“

„Wenn nicht bald etwas geschieht, lande ich im Obdachlosenheim“, klagt Schmidt. Seit einem Jahr zahle sie Miete, könne aber ohne Gewerbeerlaubnis nicht arbeiten. Kristina Laduch, Amtsleiterin im Stadtplanungsamt, sieht die Sache gelassen: „Ein Jahr, das ist doch nicht lang! Im Durchschnitt dauert so ein Antrag anderthalb bis zwei Jahre.“ Auf die Frage, warum sich die zuständigen Ämter bis jetzt noch nicht einmal zusammengesetzt hätten, um über eine Gewerbegenehmigung zu beraten, zuckt Investorenberater Hübner nur ratlos die Achseln: „Das könnte schneller gehen. Gewiß spielt da eine gewisse Überbürokratisierung eine Rolle.“

Das vermutet auch Schmidt, die bereits mehrere Musikclubs, darunter das legendäre Kreuzberger „Blockschock“ gegründet hatte. Sie sieht sich als Opfer von Schlamperei und untätigen Ämtern, denen keine Frist gesetzt wird: „Gegen die Tranigkeit der Beamten ist man machtlos.“ Sabine Möhring