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Flüchtiger Ehrenkanon auf fünf Buchstaben

■ Die HfbK verabschiedete feierlich den Fluxus-Künstler Henning Christiansen

Wie Pinguine kamen sie die Treppe herunter und stellten sich neben die eine feierliche Ansprache haltende Präsidentin: Frack und weißes Hemd mit Fliege auf den Körper gemalt und ansonsten nackt, kontrollierten die finnischen Performer Ilkka Juhani Takalo- Eskola und Radek Gyrta im Namen der „Vereinbarungen von Helsinki“den ordnungsgemäßen Ablauf der Feierlichkeiten zur Semestereröffnung an der Hochschule für bildende Künste.

Die Veranstaltung am Donnerstag abend war zugleich die offizielle Verabschiedung von Henning Christiansen in den Ruhestand. Zwölf Jahre hatte der dänische Fluxus-Künstler, Mitstreiter von Joseph Beuys und Nam June Paik, an der Hamburger Hochschule die Positionen des aus dem Ephemeren gewonnenen übergreifenden Gesamtkunstwerks und des politischen Humors vertreten und mit paradoxen Interventionen an eingefahrenen Strukturen gerüttelt. „Am besten, du reißt die ganze Schule ab, damit es einen schönen Neuanfang gibt“, war sein Kommentar an Adrienne Göhler zu den Querelen um die Präsidentin. Doch ohne den besonderen Tonfall seines multisprachlichen Dialektes und den wachen, verschmitzten Blick über die fast ständig qualmende Pfeife sind Christiansens Sentenzen nur unvollständig wiederzugeben.

Der zweite offiziell gefeierte Künstler-Abschied an der Hfbk, mit dem die Präsidentin eine alte Tradition wiederbelebt, versammelte eine kleine Fluxus-Familie zu einem Ehrenkonzert. Ute Wassermann schenkte vier furiose Stimmstücke, Ben Patterson, seit dem Beginn von Fluxus 1962 in Wiesbaden dabei, inszenierte mit zwölf Pfeifen eine „Simple Opera“, und David Moss ließ das gesamte Publikum einen Kanon über die fünf Buchstaben des Namens „Henning“singen, bis sich doch tatsächlich ein nebenan am Abend noch tätiger Seminarleiter über den Lärm beschwerte und wie in alten Zeiten zu hören war: „Das ist doch keine Kunst!“

Auch wenn er jetzt häufiger in seinem Haus auf der dänischen Insel Møn anzutreffen sein wird, für jemand wie Henning Christiansen bedeutet der Ruhestand keinen Abschied von künstlerischen Interventionen. Fluxus ist und bleibt ein offenes System. Auch Henning Christiansen, der das System lebenslanger Professuren für ein viel zu starres, überholtes Modell hält, bevorzugt die wechselnde Zusammenarbeit mit unterschiedlichen, aktuellen Künstlergruppierungen. Und das geht weiter: Mit Møns Partnerkreis Ostholstein sind Kooperationen geplant, die schon Ende September mit einer eindrucksvollen Aktion zusammen mit den Künstlern um Frank Raendchen im alten Eutiner Wasserturm begann.

Auch in Hamburg ist der aktive Fluxusveteran schon bald wieder zu erleben: Am 13. November in einem Aktionskonzert mit Berndt Jasper im Künstlerprojekt Murano-bar in der Ludwigstraße.

Hajo Schiff

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