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„Herumknösern taugt nicht für den Wettbewerb“

■ Im Interview: Bürgermeister in spe Ortwin Runde (SPD) über Wirtschaft und „anheimelnde Vorstellungen der GAL“

taz: Sie wollen „zukunftsorientierte Antworten“geben, „Stabilität durch Dynamik“erreichen und den „Strukturwandel aktiv befördern“. Sehen Sie sich als Hamburgs großen Modernisierer?

Ortwin Runde: Als Modernisierer lasse ich mich gern bezeichnen. Der Öffentliche Dienst ist zum Beispiel ein Bereich, wo wir nicht nur Modernität gestalten können, sondern nachgerade dazu verpflichtet sind. Für die Lösung der Probleme brauchen wir einen leistungsfähigen Öffentlichen Dienst mit einer „Corporate Identity“.

Soll der Bürger Kunde werden?

Sowohl derjenige, der einen Fahrraddiebstahl anzeigt, als auch der, der erwischt wird, wäre demnach Kunde. Insofern ist der Kundenbegriff aus der Privatwirtschaft so nicht übertragbar. Es muß aber zu einer Dienstleistungsorientierung kommen.

Das schafft aber keine neuen Arbeitsplätze. Wie wollen Sie mehr Beschäftigung erreichen?

Es stehen jetzt immer die Großprojekte im Mittelpunkt der Diskussion. Diese müssen ohne Zweifel realisiert werden, aber man darf nicht vergessen, daß 75 Prozent der Hamburger Beschäftigten im Dienstleistungsbereich arbeiten. Zum Beispiel in der Medienwirtschaft, der Telekommunikation oder der Medizintechnik. Da gilt es, die Infrastruktur wie Ausbildung, Forschung, Kultur mehr zu fördern.

In der Großindustrie sind dramatisch viele Arbeitsplätze weggefallen. Nehmen Sie das hin?

Im gewerblichen Bereich wird dieser Trend sogar weitergehen. Auffangen können wir nur im Dienstleistungssektor. Wir müssen neue Felder entwickeln. In dem Maße, wie zum Beispiel mehr und mehr Frauen in die Erwerbstätigkeit hineingehen, entsteht auch ein größerer Dienstleistungsbedarf im Bereich Haushalt.

Die GAL setzt aber auf kleinere und mittlere Betriebe.

Das sagt alle Welt inzwischen, daß das Potential dort liegt. Doch man muß sowohl bezogen auf die lokale als auch auf die globale Wirtschaft etwas tun.

Die GAL hat immer so anheimelnde Vorstellungen: Hamburg, trautes Heim, Glück allein. Das funktioniert nicht. Die Vorteile eines integrierten Europas kann man nur nutzen, wenn man auch auf europäischer Ebene agiert.

Wird der Standort Hamburg zu Unrecht schlecht geredet?

Wenn ich mir die Außenhandelszahlen ansehe, hätten wir allen Anlaß, mit einem anderen Selbstbewußtsein aufzutreten. Dieses dauernde Herumknösern taugt nichts. Damit kann man im Wettbewerb nicht bestehen.

Fürchten Sie die Kritik der Handelskammer?

Ach, nein. Der Kontakt mit der Handelskammer ist gut. Wenn man themenorientiert diskutiert, verschwindet die Feindseligkeit.

Nur Säbelrasseln?

Naja, alle sind noch etwas erhitzt von der Wahl. Ich bin an einem sachorientierten Dialog mit der Handelskammer interessiert, gerade wegen des drängenden Problems der Arbeitslosigkeit.

Muß die Wirtschaft stärker in die Pflicht genommen werden?

Die Wirtschaft ist in der Pflicht. Uns droht eine Krise des dualen Systems. Die Herausforderung ist, das Ausbildungssystem an einen schnelleren Wandel anzupassen. Das kann bedeuten, daß man Grund-, Fort- und Weiterbildung neu definieren muß.

Fragen: Silke Mertins

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