Bilbao protestiert gegen die ETA-Morde

Weit mehr als 100.000 Menschen nahmen am Trauermarsch für den getöteten Polizisten teil. Alle baskischen Parteien waren dabei – nur Anhänger der ETA-nahen Partei Herri Batasuna wollten nicht mitgehen  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

„Bakea behar dugu“ – Wir brauchen Frieden – verkündete das Transparent an der Spitze der Großdemonstration, die am Donnerstag abend durch die Straßen Bilbaos zog. Weit über 100.000 Menschen – unter ihnen der Präsident der baskischen Regierung, José Antonio Ardanza, und der stellvertretende spanische Regierungschef Francisco Alvarez Cascos – waren gekommen, um Maite Mollinedo mit ihrer Trauer und Wut nicht alleine zu lassen. Ihr Mann José María Agirre ist das vorläufig letzte Opfer der baskischen Separatistengruppe ETA. Der 35jährige Beamte der Autonomiepolizei Ertzaintza hatte Anfang der Woche ein dreiköpfiges ETA-Kommando bei den Vorbereitungen eines Anschlages auf die heute stattfindende Einweihungsfeier des Guggenheim-Museums von Bilbao ertappt. Einer der Etarras zog seine Pistole – nach 26 Stunden erlag der Beamte seinen schweren Verletzungen.

„Das Baskenland hat die Schnauze voll von Gewalt“, begründet Leandro Kapetillo, der die ganze Zeit über die Witwe des Toten stützte, warum er zum Marsch durch die Provinzhauptstadt mobilisiert hatte. Kapetillo ist Bürgermeister von Zalla, dem Heimatort von Txema, wie seine Nachbarn und Freunde den toten Polizisten nannten. Der Aufruf zum Trauermarsch in die Provinzhauptstadt wurde von allen baskischen Parteien, mit Ausnahme der als politischer Arm der ETA geltenden Herri Batasuna (HB), befolgt.

Die Demonstration, die unter stürmischem Beifall der Passanten durch die großen Boulevards Bilbaos zog, erinnerte an jenen Protestmarsch vom Juli, als die ETA den Gemeinderat aus Ermua, Miguel Angel Blanco, entführt und nach Ablauf eines 48stündigen Ultimatums an die Regierung, die 600 ETA-Gefangenen ins Baskenland zu verlegen, erschossen hatte. „Der Geist von Ermua lebt“, stellten so auch viele Teilnehmer selbstzufrieden fest, als sie sahen, daß einmal mehr große Teile der baskischen Bevölkerung ihre Abneigung gegen Gewalt als Mittel der Politik zum Ausdruck brachten.

Daß, wer seine pazifistische Gesinnung zum Ausdruck bringt, nicht gleichzeitig vor der Madrider Zentralmacht zu Kreuze kriecht, wie HB und ETA immer wieder behaupten, zeigte die Menge eindrucksvoll am Ende der Abschlußkundgebung. „Die Mörder von Txema und ihre Unterstützer haben uns viel Leid zugefügt, aber sie werden uns nicht von unserem demokratischen Kurs abbringen und den Willen der baskischen Volkes beugen“, rief Bürgermeister Kapetillo ins Mikrophon. „Gora Euskadi askatu“ – Es lebe das freie Baskenland – die Parole, die auch auf keiner HB-Kundgebung fehlen darf, war die zehntausendfache Antwort.

Mit dem Mord an José Maria Agirre haben die ETA und ihr Umfeld einen weiteren Schritt Richtung gesellschaftliche Isolierung getan. Nachdem die HB auf politischer Ebene seit dem Mord an Miguel Angel Blanco völlig alleine dasteht, könnte die linksnationalistische Gewerkschaft LAB bald das gleiche Schicksal ereilen. Der Vorsitzende der gemäßigt nationalistischen ELA, José Elorrieta, schließt einen Bruch des seit Jahren bestehenden Aktionsbündnisses seiner Gewerkschaft mit der LAB nicht mehr aus. Schließlich sei es nicht das erste Mal, daß die bewaffneten Separatisten einen bei ELA organisierten Ertzaina- Polizisten ermordeten, begründet er seine Verbitterung.