Hamburgs Unternehmer atmen auf

Die Grünen haben den Öko-Sünden Elbvertiefung, Hafenerweiterung und Flughafenausbau zugestimmt. Die Basis murrt, doch die Wirtschaft frohlockt. Sie gibt einem rot-grünen Senat eine Chance  ■ Aus Hamburg Silke Mertins

Wenn sich an den Hamburger Landungsbrücken ein Containerschiff der vierten Generation vorbeischiebt, dann wird dem Präses der Handelskammer, Nikolaus Schües, warm ums Herz. Denn er ist Reeder und findet, daß die dicken Pötte nicht nur bei Flut einlaufen sollten. Das Flußbett der Elbe müsse sich gefälligst den schwimmenden Transportern und ihrer tonnenschweren Fracht anpassen und von Menschenhand vertieft werden. Angst trieb ihn um, daß sich die SPD auf Druck der Grün- Alternativen Liste (GAL) von diesem „unverzichtbaren“ Projekt verabschieden könnte, obwohl schon im November die ersten Baggerarbeiten beginnen sollen. Denn der Hafen und die Elbe sind, das sieht Schües richtig, seit 20 Jahren Symbol grünen Widerstands.

Nun strahlt Schües. „Sehr froh“ ist er, daß die Grünen den Öko- Sünden Elbvertiefung, Hafenerweiterung und sogar dem Flughafenausbau diese Woche bei den Koalitonsverhandlungen zugestimmt haben. „Das war ein guter Beginn“, freut sich der Unternehmer. „Der neue Senat kriegt eine Chance.“ Und mit der GAL hat er neuerdings „keine Berührungsängste“ mehr.

Nach der Hamburger Wahl am 21. September klang das noch ganz anders. Eine rot-grüne Koalition, wetterte Schües, hätte unabhängig von ihrem Wirken und Tun eine „weltweit ausstrahlende negative Atmosphäre“. Deshalb habe er „absolut unparteiisch“ daran erinnern müssen, daß zwischen CDU und SPD ein „großer Konsens“ bestehe und die beiden Volksparteien somit „in der Pflicht stehen, diesen Konsens in Taten umzusetzen“. GAL-Fraktionschefin Krista Sager schäumte. Eine „ziemliche Frechheit“ sei die parteipolitische Einmischung einer Körperschaft, die aus Zwangsmitgliedern bestehe. Flugs ließ man den hessischen Grünen-Sprecher Tom Koenigs anreisen.

Und da saß nun Koenigs neben den aufgeregten Hamburger GALierInnen und den gespannt lauschenden JournalistInnen, um frohe Kunde aus dem rot-grün regierten Hessen zu bringen. „Wir haben das höchste Wirtschaftswachstum eines Bundeslandes“, trug Koenigs die Fakten vor. Genehmigungsverfahren würden zügiger erteilt als irgendwo sonst in der Republik. „Der Strukturwandel ist viel schneller gegangen als in anderen Ländern.“

Das Wort Strukturwandel nimmt auch Hamburgs designierter Erster Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) gern in den Mund. Vor allem solle man nicht ständig den Standort schlechtreden. „Wenn ich mir die Außenhandelsziffern ansehe, hätten wir allen Anlaß, mit einem anderen Selbstbewußtsein aufzutreten“, findet er. „Dieses dauernde Herumknösern taugt nichts. Damit kann man im Wettbewerb nicht bestehen.“ Dem dramatischen Verlust an industriellen Arbeitsplätzen hinterherzutrauern – allein die Werft Blohm & Voss verlor seit 1968 fast 6.000 Arbeitsplätze – nütze nichts, weiß der linke Sozialdemokrat. „Wir müssen neue Felder entwickeln.“

Allen voran hat Ortwin Runde sich vorgenommen, den öffentlichen Dienst zu reformieren. „Wir müssen zu einer stärker leistungsorientierten Belohnung kommen“ und mehr „Bürgerfreundlichkeit“ entwickeln. Mit Kultur, Forschung und Ausbildung will er moderne Wirtschaftszweige an Hamburg binden. Denn auch wenn es im öffentlichen Echo auf die Koalitionsverhandlungen fast nur um die Großprojekte gehe, „dürfen wir nicht vergessen, daß 75 Prozent der Hamburger Beschäftigten im Dienstleistungsbereich arbeiten“.

Auch die Grünen setzen auf die Stärkung kleiner und mittelständischer Betriebe, weil es die „einzigen sind, die noch Beschäftigungszuwächse haben“, schwärmt Sager. „Das sagt inzwischen alle Welt“, entgegnet Runde. Doch könne man deshalb die lokale Wirtschaft nicht isoliert betrachten. „Die GAL hat immer noch so anheimelnde Vorstellungen“, meint Runde. „Da gilt immer noch: Hamburg, trautes Heim, Glück allein. Das funktioniert nicht.“

Doch ob es funktionieren wird, der GAL eine Kröte nach der anderen zuzumuten, ist durchaus zweifelhaft. Elbe, Hafen und Flughafen haben die Grünen abgenickt; die Großprojekte waren schon zu weit fortgeschritten. Doch Krista Sager kann nicht auch noch das Wasserschutzgebiet Mühlenberger Loch dem Ausbau des Dasa-Werks opfern. Schon am Donnerstag abend bezog sie heftige Prügel von der gefürchteten GAL-Basis. „Wir haben keine einzige sichtbare Gegenleistung von der SPD bekommen“, so die GALierin Tina Rosenbusch. Die bisherigen Verhandlungen hätten sich zu sehr „an der Gefühlslage der Handelskammer orientiert“, schimpfte ein anderer GALier. Kleinlaut und unglücklich trat Antje Möller, ein linkes Mitglied der Verhandlungsdelegation, vor die Mitglieder: „Mir ist es noch nie so schlechtgegangen, seit ich Politik mache. Aber jetzt schon aufzuhören ist einfach zu früh.“