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Mit dem Wasserfetisch Tutsi vertreiben

Die einen haben die Waffen, die anderen die Unterstützung der Bevölkerung: Im Osten der Demokratischen Republik Kongo verschärft sich der Krieg zwischen Kabilas AFDL-Armee und örtlichen Milizen  ■ Aus Bukavu Werner Finkenthal

Als die Regenzeit in der ostkongolesischen Provinz Süd-Kivu diesmal länger als üblich auf sich warten ließ, hatten viele Leute eine eindeutige Erklärung: Die Rebellenmilizen „Mayi-Mayi“ – Suaheli für Wasser – hätten den Regen weggezaubert. Die „Mayi-Mayi“- Krieger, Sammelbegriff für verschiedene bewaffnete Gruppen in der Region, sind Stadtgespräch in der Provinzhauptstadt Bukavu. Voller Ehrfurcht und hinter vorgehaltener Hand erzählt man sich, wie die Kugeln des Militärs an ihnen abprallen und wie sie sich unverwundbar machen, indem sie sich nicht waschen. Da der Wasserzauber verschwinde, sobald sie naß würden, müßten sie natürlich den Regen wegzaubern.

Als es Mitte Oktober dann doch regnete, waren die Anekdoten wiederum einhellig: Die Mayi- Mayi hätten ihren Fetisch verbessert und bräuchten keinen Schutz vor Wasser mehr. Und da sie sich nun auch waschen dürften, könnten auch normale Stadtjugendliche zu ihnen stoßen.

So weitet sich die seit Monaten andauernde Rebellion lokaler Mayi-Mayi-Milizen gegen das Kabila- Regime im Osten der Demokratischen Republik Kongo immer weiter aus. Ihre Hochburg haben die Rebellen in Bunyakiri. Sie kontrollieren das Hochland um Bukavu, besetzen es jedoch nicht. Sie kommen nachts in die Dörfer, und die Bevölkerung gibt ihnen Nahrung und Unterkunft. Am Tage gehen sie wieder, das Militär kommt, die Bevölkerung flieht.

Der Kleinkrieg um Bukavu ist ein reines Kräftespiel: Die einen haben die Waffen, die anderen kennen sich im Regenwald aus und genießen die Unterstützung der Bevölkerung. Das Militär hofft, die Rebellion mit der Zeit austrocknen zu können, indem der Waffen- und Munitionsnachschub unterbunden wird. Nur läuft die Zeit gegen das Militär, da der Unmut der Bevölkerung täglich wächst und leicht in einen generalisierten Aufstand münden könnte.

General Masasu Shindaga, der selbst aus Bukavu stammende Generalstabschef der AFDL-Armee vom Shi-Volk, ist sich dessen bewußt und fährt eine zweigleisige Strategie. Auf der einen Seite wird das Militär sowohl personell wie auch durch den Einsatz schwerer Artillerie verstärkt; zuweilen wird der Regenwald angezündet, um die Mayi-Mayi auszuräuchern. Auf der anderen Seite versucht Masasu, die Bevölkerung in Gesprächen davon zu überzeugen, daß er die Mayi-Mayi nicht als Gegner ansieht, sondern mit ihnen zusammen das Land aufbauen will. Das Problem seien vielmehr die ruandischen Hutu-Milizionäre „Interahamwe“, die die Mayi-Mayi manipulierten.

Dies überzeugt die Bevölkerung jedoch wenig. Nachdem sie die Jagd von Kabilas AFDL-Armee auf ruandische Hutu-Flüchtlinge beobachten konnte und findet, daß die örtlichen Banyamulenge-Tutsi heute unter Kabila zuviel Macht haben, stellt sich das Gefühl ein, daß alle Tutsi das Land verlassen oder zumindest ihre Einstellung ändern müßten. So nimmt der Konflikt ethnische Züge an. Wenig hilfreich dabei sind Äußerungen wie die des Provinzgouverneurs am vorletzten Samstag, der bei einer Rede über Familienplanung sagte, daß die Leute sich nicht so vermehren sollten wie die Hutu. Er wurde ausgebuht.

Zur Krise kam es, nachdem die AFDL-Armee am 3. Oktober die Kleinstadt Katana 20 Kilometer nördlich von Bukavu am Kivu-See zurückeroberte – bei dem Angriff starben etwa 20 Zivilisten, 15 reguläre Soldaten und auch zwei Weiße kamen ums Leben, die die AFDL- Artillerie bedienten. Danach änderte General Masasu seinen Ton und drohte, er würde für jeden gefallenen Soldaten zehn Menschen umbringen lassen. Da protestierten auch Intellektuelle in Bukavu, die sonst eine differenziertere Position einnehmen und zum Beispiel vorgeschlagen haben, daß das im Süd-Kivu stationierte ruandische Militär sich zurückzieht, die Tutsi- Dominanz in der Verwaltung eingeschränkt wird und als Gegenzug eine Garantie gegeben wird, daß der Kongo nicht mehr als Ausgangsbasis für einen neuen Krieg von Hutu-Milizen gegen Ruanda dient. In Gesprächen mit den Behörden sagten die Intellektuellen, nur durch Duldung der Bevölkerung hätten Kabilas AFDL-Rebellen vor einem Jahr hier überhaupt Fuß fassen können, und so dürfe die AFDL sich jetzt nicht gegen die Bevölkerung richten.

Wenige Tage später überfielen dann aber Banyamulenge-Krieger ein Dorf in Luinja nahe Bukavu, stahlen Kühe, zündeten Häuser an und ermordeten unbewaffnete Zivilisten. General Masasu sprach nach diesem Vorfall von marodierenden Einheiten, mit denen er persönlich abrechnen werde. Im vertraulichen Gespräch ist von Mitarbeitern Masasus zu erfahren, daß sie als das größte Problem die Soldaten aus Ruandas Armee ansehen, die im Kongo ihren eigenen Krieg gegen die Hutu-Milizen führten. Die Rachefeldzüge bringen den Teufelskreis zum Drehen: Die Bevölkerung flieht und fühlt sich in ihren Anti-Tutsi-Argumenten bestätigt. Bukavu selbst ist noch ruhig, aber während die Banyamulenge-Tutsi der Stadt noch vor zehn Tagen abends die Diskos bevölkerten, trauen sie sich dies heute nicht mehr.

Zur wachsenden Spannung in Bukavu trägt auch der Abzug des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR bei, denn der UNHCR ist zu einer entscheidenen Wirtschaftskraft in der Region geworden. Seine Haupttätigkeit in den letzten Monaten war hier keine Flüchtlingshilfe mehr, sondern bestand in Projekten zur Wiederherrichtung der Infrastruktur – in der Hoffnung, durch Signale fortdauernder Präsenz an die letzten im Regenwald versteckten Flüchtlinge heranzukommen. Nun aber sind nach dem Ausweisungsbeschluß der Kabila-Regierung die letzten UNHCR-Mitarbeiter aus Bukavu abgereist, und es ist damit zu rechnen, daß auch andere Hilfsorganisationen die Gegend verlassen werden, da sie auf finanzielle Mittel des UNHCR angewiesen waren.

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