: Magnetbahn wird zum Bahnhofskiller
Die Bahn AG will dem Transrapid drei Gleise im Hamburger Hauptbahnhof spendieren. In Brandenburg startet ein Volksbegehren gegen die Magnetschnellbahn. 80.000 Unterschriften werden gebraucht ■ Von Wolf Unterberger
Berlin/Hamburg (taz) – Wahlkampf in Brandenburg. Sylvia Voß, die Landessprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, gibt heute in Potsdam öffentlich ihre Stimme ab. An 100 Ständen werden Informationen und Minus-Tausendmarkscheine verteilt – verbunden mit einem Aufruf zum Volksbegehren gegen den Transrapid.
Der Wahlkampf startete am Samstag unter dem Motto „Fit gegen den Transrapid“, geführt vom „Bündnis gegen den Transrapid“, das vom Bundesvorstand von Bündnis 90/Grüne, Robin Wood und dem BUND unterstützt wird. Insgesamt umfaßt es rund 60 Organisationen und Einzelpersonen.
Unterdessen sorgt eine Studie der Deutschen Bahn AG zum Transrapid in Hamburg für Furore. Untersucht wurde, wie im Hamburger Hauptbahnhof als Endpunkt der Magnetbahn-Verbindung Berlin–Hamburg die Wege zu den Bahngleisen verkürzt werden können. Erstaunliches Ergebnis: Der Transrapid soll gleich drei der Bahngleise als Haltestelle erhalten, so die Bahn-Sprecherin Christine Geißler-Schild auf Anfrage der taz.
Doch ein Ausgleich für Züge der Bahn ist nicht vorgesehen. Dabei reicht der Platz im Hamburger Hauptbahnhof schon heute kaum, um den Zugverkehr abzuwickeln. Selbst die Handelskammer der Hansestadt, die sich keineswegs zu den Transrapid-Kritikern zählt, befürchtet „verschärfte Probleme“. Die Gleise, die künftig der Magnetbahn reserviert sein sollen, gehören dabei zu den besonders stark frequentierten. Am Gleis 8 etwa wird ein Großteil des Fernverkehrs abgewickelt. Güterzüge aus Skandinavien wiederum, für die die mittleren Gleise eigentlich ausgebaut worden sind, müßten mit großem Aufwand umgeleitet werden, stöhnt Hans-Jürgen Merl von der Handelskammer.
Horst Fechner, einer der Geschäftsführer der Magnetbahnplanungsgesellschaft, versucht unterdessen, die Befürchtungen zu zerstreuen. Bisher gebe es nur Überlegungen, den Transrapid direkt in den Hauptbahnhof einschweben zu lassen. Man könne aber auch mit der alten Planung leben. Die sieht vor, den Transrapid durch die ehemalige Hauptpost unmittelbar südlich des Hauptbahnhofs zu führen und auf dem angrenzenden Gleisdreieck direkt vor der Bahnhofshalle enden zu lassen.
Beim Volksbegehren in Brandenburg wird demgegenüber der Transrapid insgesamt in Frage gestellt. Von heute bis zum 18. Februar können alle wahlberechtigten Brandenburger auf Listen, die in den Einwohnermeldeämtern ausliegen, ihr Votum gegen die Schnellbahntrasse abgeben. Wer unterschreibt, fordert die Landesregierung auf, sich künftig gegen den Transrapid zu wenden, im Bundesrat zu intervenieren und Ausgaben des Landes zurückzufordern.
Kritikpunkte an der geplanten Magnetschnellbahn sind nicht allein Lärmbelästigung, Energieverbrauch und radikale Einschnitte in die Landschaft, sondern auch die gewaltigen Kosten. Die Bundesregierung benennt die Gesamtkosten etwa mit 10 Milliarden Mark, Kritiker haben sogar 15 Milliarden Mark errechnet. Mehrkosten in Millionenhöhe entstehen zum Beispiel durch eine vor wenigen Tagen in Kraft getretene Neuregelung der Lärmschutzverordnung. Bisher war bei den Planungen der sogenannte Schienenbonus zugrunde gelegt worden. Bei mehr als 300 Kilometern pro Stunde darf der aber nicht angewendet werden. Nach einer Studie der TU Berlin ist das Geräusch eines mit 400 Stundenkilometern vorbeibrausenden Zuges etwa so laut wie das eines Preßlufthammers.
Kommen für das Volksbegehren 80.000 Stimmen zusammen, muß sich der brandenburgische Landtag erneut mit dem Transrapid beschäftigen. Im Frühjahr 1997 gab es eine Volksinitiative, die von der SPD-Mehrheit abgelehnt worden war. Weist der Landtag jetzt das Volksbegehren zurück, ist der Weg frei für den Volksentscheid, der für die Landesregierung verbindlich wäre.
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