: Statt Grün: Silber und Gold
■ Allen Widerständen zum Trotz soll die Polizeistrukturreform Anfang 1998 in Kreuzberg und Neukölln erprobt werden. Einführung der zweigeteilten Laufbahn angeblich kostenneutral
Der Probelauf für die Polizeireform hat noch nicht begonnen, da wird an allen Ecken und Enden schon kräftig an dem Vorhaben gesägt. Der Kurier machte gestern mit einer Umfrage der Deutschen Polizeigewerkschaft im Beamtenbund (DPolG) auf, der zufolge 90 Prozent von 250 befragten Beamten die Einführung der Reform ablehnten. Der Tagesspiegel berichtete unlängst, daß die mit der Einführung der zweigeteilten Laufbahn geplante Höherstufung der Schutzpolizisten laut Rechungshof „eine Kostenlawine“ für Berlin auslösen werde. Aber die Reform der 25 Jahre alten Polizeistruktur ist wohl kaum noch aufzuhalten. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky wird am Donnerstag für Anfang 1998 den Beginn des Probelaufs in der Direktion 5 (Kreuzberg und Neukölln) verkünden.
Kernstück des sogenannten Berliner Modells ist die Einführung der zweigeteilten Laufbahn für die derzeit rund 10.500 Schutzpolizisten. Durch eine bessere Ausbildung sollen diese in die Lage versetzt werden, künftig vermehrt Aufgaben der Kripo zu übernehmen, damit letztere sich auf schwere Verbrechen konzentrieren kann. Die mit grünen Sternen auf den Schulterklappen ausgestatteten Polizeihauptwachtmeister und Polizeihauptmeister soll es dann nicht mehr geben, sondern nur noch Beamte des höheren und gehobenen Dienstes mit silbernen und goldenen Abzeichen.
Die Besoldung wird dann nicht mehr mit A7 beginnen, sondern mit A9. Die Befürchtung des Rechnungshofes, eine Kostenlawine drohe, hat Innensenator Jörg Schönbohn (CDU) laut Sprecher Thomas Raabe wiederholt damit „entkräftet“, daß die Einführung der zweigeteilten Laufbahn „kostenneutral“ erfolgen werde. 100 Stellen des gehobenen Dienstes würden durch rund 116 Stellen des mittleren Dienstes finanziert, die zu streichenden Stellen würden durch Fluktuation eingespart. Die im Haushaltsstrukturgesetz 1996 festgelegte Einsparung von 2.000 Stellen muß die Polizei laut Raabe darüber hinaus erbringen. Die Bündnisgrünen, die entschiedende Befürworter der Polizeireform sind, wollen genau darauf achten, daß der Abbau der 2.000 Stellen auch wirklich „zusätzlich erfolgt“.
Bislang waren alle Versuche einer Polizeireform am Widerstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gescheitert, die sich gegen die Abschaffung der antiquierten Zwölfstundenschicht zugunsten einer Achtstundenschicht sperrte. Aber die Gewerkschaft hat inzwischen nachgegeben.
Der Tagesspiegel spekulierte, daß die Zustimmung der Gewerkschaftler durch die mit der zweigeteilten Laufbahn einhergehende Höherbesoldung erkauft worden sei. Dies dementierte GdP- Sprecher Klaus Eisenreich gestern jedoch ganz entschieden. Die Reform sei ein zwingendes Gebot der Stunde für die oftmals noch mit „Karteikarteikarten“ arbeitende Polizei.
Plutonia Plarre
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