: Mitstreiter Yașar Kemals muß hinter Gitter
■ Blinder Menschenrechtsanwalt in der Türkei wegen Einsatz für Kurdistan festgenommen
Ankara (AFP/dpa) – Die türkische Polizei hat in der Nacht zu gestern den blinden Menschenrechtler Esber Yagmurdereli in Istanbul festgenommen und ihn zum Absitzen einer umstrittenen lebenslangen Haftstrafe ins Gefängnis gebracht. Nach einer Meldung der halbamtlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu wurde der 52jährige Rechtsanwalt nach der Teilnahme an einer nächtlichen Diskussionssendung des Privatsenders „Kanal-D“ vor dem Studiogebäude festgenommen.
Der Verfasser mehrerer Bücher über Menschenrechte war nach einer Rede auf einer Kundgebung im September 1991 zu einer zehnmonatigen Haftstrafe wegen „separatistischer Propaganda“ verurteilt worden – dem Standardvorwurf gegen alle, die sich kritisch mit dem schmutzigen Krieg in Kurdistan auseinandersetzen. Der seit seinem zehnten Lebensjahr blinde Yagmurdereli war im Juli vergangenen Jahres Mitglied der Delegation, die die Beendigung einer Hungerstreikwelle in türkischen Gefängnissen nach dem Tod von 13 wegen Linksextremismus einsitzenden Häftlingen bei der radikalen Protestaktion erreicht hatte. Dieser Delegation hatte auch der jetzt mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Schriftsteller Yașar Kemal angehört.
Im Mai war Yagmurdereli vom Kassationsgericht in Ankara wiederum wegen „separatistischer Propaganda“ zu zehn Monaten Haft verurteilt worden.
Ein Berufungsantrag seiner Verteidiger wurde abgelehnt, wodurch seine Bewährungsstrafe hinfällig wurde. Durch sie war er 1991 auf freien Fuß gelangt, obwohl er zuvor bereits zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt worden war.
1978 bekam Yagmurdereli „lebenslänglich“ für „bewaffnete subversive Aktivitäten“ gegen das Regime. Nach 13 Jahren wurde er aufgrund eines neuen Gesetzes auf Bewährung freigelassen. Während der restlichen 23 der eigentlich auf 36 Jahre festgesetzten Strafe durfte er sich nichts zuschulden kommen lassen, sonst würden die verbleibenden Jahre auf die neue Strafe aufgerechnet. Yagmurdereli war zuletzt der Sprecher der Kampagne „Eine Million Unterschriften für den Frieden“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen