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„Wir haben die Regierung satt“

Wirtschaftskrise in Thailand geht weiter. Gelähmter Bankensektor gefährdet nun auch gesunde Unternehmen. Militär will angeblich nichts von Putsch wissen  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

„Chavalith, tritt zurück“! skandierten gestern Tausende Demonstranten vor dem Regierungsgebäude in Bangkok. „Wir haben die Regierung so satt“, sagte eine Teilnehmerin, „sie rauben uns aus und lassen das Land zugrunde gehen.“ Am Montag war eine der Hauptstraßen in Bangkok 20 Stunden lang von Demonstranten blockiert. In Thailand wächst der Frust über Premierminister Chavalith Yongchaiyudh, unter dessen Regierung die Wirtschaft in die schlimmste Krise seit Jahrzehnten geraten ist.

Während der thailändische Baht auf seinen tiefsten Stand gegenüber dem Dollar fiel und die Aktienkurse in Bangkok weiter in den Keller stürzen, stritten sich Premier Yongchaiyudh und seine Koalitionspartner seit Tagen um die zukünftige Verteilung der Ministerposten. Das gesamte 48köpfige Kabinett reichte gestern seinen Rücktritt ein. „Gibt es denn niemanden, der sich um die Wirtschaft, um Firmenpleiten oder wachsende Arbeitslosigkeit sorgt?“ lamentierte die Bangkoker Nation und beklagte die „schamlose Machtbesessenheit“ der Politiker des Landes, das „am Rande des Bankrotts steht“.

Premierminister Chavalith leide offensichtlich an der „Alzheimerschen Krankheit“, zitierte die Presse in den letzten Tagen wiederholt thailändische Ärzte. Dabei wächst der Druck auf die Regierung, der im August vom Internationalen Währungsfonds ein Kreditpaket über 17,2 Milliarden Dollar zugesagt wurde. Die Kreditgeber fürchten, daß Bangkok nicht, wie versprochen, genug Transparenz in das marode Bankensystem bringt und scharf bei den Haushaltsausgaben spart.

Am vergangenen Freitag nahm Premierminister Chavalith plötzlich eine erst drei Tage zuvor eingeführte Steuererhöhung auf Mineralöl zurück. Grund: Mächtige Interessengruppen, darunter Fuhrunternehmer, hatten sich beklagt. Daraufhin trat der erst seit fünf Monaten amtierende Finanzminister Thanong Bidayong zurück, der das IWF-Reform- und Sparpaket in der Regierung mit ausgearbeitet hatte.

Die Folge: Bislang sind keine notwenigen Gesetze verabschiedet worden, die für die Sanierung des Finanzsektors nötig sind. Deshalb können zwei wichtige neue Institutionen, die die gesunden Banken überwachen und die Auflösung der bankrotten Finanzinstitute organisieren sollen, nicht mit der Arbeit beginnen. Dies aber ist eine Voraussetzung dafür, das der IWF die dringend benötigten Kredite freigibt. Die Regierung benehme sich wie die drei Affen, die „nichts hören, nichts sehen, nichts sagen“, heißt es in Bangkok.

Dabei geraten zunehmend auch Betriebe unter Druck, die eigentlich gesund sind: Weil die Banken so gut wie lahmgelegt sind, können viele Firmen nicht die nötigen kurzfristigen Dollars kaufen, um für die Produktion erforderliche Teile zu importieren. Deshalb sagen Ökonomen in den nächsten Wochen eine große Zunahme von Pleiten voraus. Fast täglich berichten die Zeitungen von Selbstmorden überschuldeter Unternehmer.

So wuchsen in diesen Tagen auch wieder die Gerüchte über einen Staatsstreich der Armee, nachdem sich der Premierminister, selbst ein ehemaliger General, wiederholt bei den mächtigen Militärspitzen „Rat“ geholt hatte. Armeechef Chettha Thanajoro dementierte diese Spekulationen erneut: „Das Wort Putsch sollte aus dem Lexikon gestrichen werden.“

In diesen ganzen Schlammassel platzte am Montag der deutsche Außenminister Klaus Kinkel, der mit einer dreißigköpfigen Wirtschaftsdelegation zum ersten Stopp seiner fünftägigen Asienreise in Bangkok haltmachte. Die thailändische Regierung und die Opposition seien „sehr dankbar“, daß er gekommen sei und damit das „Vertrauen in die Überlebenskraft der thailändischen Wirtschaft bewiesen“ hätte, erklärte Kinkel am Dienstag skeptischen Journalisten in Bangkok.

Zusätzliche Kredite wollte der Außenminister den Thailändern aber nicht versprechen: Nur „technische Hilfe der Bundesbank“ bot er an.

Premier Chavalith hatte am Montag zunächst einen geplanten Termin mit Kinkel abgesagt, um sich um seine Regierungsumbildung zu kümmern. Daraufhin war der deutsche Außenminister Berichten zufolge so erzürnt, daß er einen kleinen diplomatischen Eklat verursachte: Er ließ seinerseits König Bhumipol fast eine Stunde warten. Am Dienstag morgen fand Chavalith dann aber Zeit, sich kurz um den Besucher zu kümmern. Während der thailändische Premier anschließend weiter nach Ministern suchte, reiste Kinkel mit den deutschen Unternehmern nach Süd-Korea.

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