: Rückbau auf dem Bau
■ Polnische Bauarbeiter warten seit Monaten auf Lohn. Jetzt bauen sie die Häuser wieder ab. Chef der Baufirma verschwunden
Helle Aufregung auf der Baustelle in der Rhönstraße in Weißensee: Sechs polnische Bauarbeiter stehen auf dem Dach eines fast vollendeten Fertighausbaus und decken das Dach ab. Ziegel für Ziegel lösen sie von den Querlatten und stapeln sie säuberlich auf Paletten. Unten auf dem Doppelgrundstück läuft derweil der Koordinator der Baufirma Wamont, Stefan Teilich, aufgeregt hin und her. „Was soll der Scheiß, hört auf damit“, brüllt er und schüttelt den inzwischen hochroten Kopf. Neben ihm steht Thomas Schindler, Miteigentümer des Grundstücks, und ist sprachlos. Bei seinem Haus haben die sechs Polen bereits das Erkerdach demontiert, und er mußte tatenlos zusehen.
Auch der Polizei sind die Hände gebunden, „da sich solche Aktionen auf zivilrechtlicher Ebene abspielen“, erklärt der diensthabende Beamte. Der Eigentümer nutzt seine einzige Chance: Er kündigt der Baufirma. Deren Arbeiter machen sich dann des Hausfriedensbruchs schuldig – die Polizei kann eingreifen.
Mit dem „Rückbau“, wie Stefan Teilich es nennt, wollen die polnischen Arbeiter ihren Gehaltsforderungen Nachdruck verleihen. Seit Juli 1997 arbeiten sie für die polnische Firma Letrans, die mit ihnen ein Monatsgehalt von 2.600 Mark vereinbart hat. Bis jetzt haben sie davon nur 850 Mark erhalten. Letrans-Chef Slarzynski ist seit Wochen verschwunden. Laut polnischem Sozialrat hat Slarzynski angegeben, die Wamont GmbH habe bisher nicht gezahlt, deshalb könne er die Arbeiter nicht bezahlen. Die Wamont GmbH bestreitet das und verweist auf Unterlagen, die die Zahlungen bestätigen. „Es scheint“, sagt Stefan Teilich, „daß sich Slarzynski mit den Geldern abgesetzt hat.“
Nach drei Stunden beendet die Polizei friedlich die Protestaktion. Den Schaden haben alle: Die polnischen Arbeiter, die ohne Gehalt nach Polen zurückkehren, die Mieter der nun teilweise abgedeckten Häuser und die Baufirma, die die Häuser laut Vertrag nächste Woche übergeben soll. Nur Slarzynski bleibt verschwunden. Alexander Eschment
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