: Alles handgemalt
■ Die DDR doppelt gesehen: Plakate aus der Werbung und Möbel aus dem ZK - zwei Ausstellungen in der Sammlung industrielle Gestaltung
Der DDR-Alltag in den 50er und 60er Jahren kann doch nicht so grau gewesen sein, wie er gern beschrieben wird. Von den Werbeplakaten jedenfalls, die der heute 89jährige Günter Schmitz in dieser Zeit entwarf, blicken Menschen, die vor Heiterkeit und Lebensfreude nur so sprühen. Helle, leuchtende Farben dominieren. Und die Schriften sind noch alle von Hand gemalt.
Die Plakate und Drucksachen, die in der Ausstellung der Sammlung industrielle Gestaltung unter dem Titel „Altbewährt – Jugendfrisch“ präsentiert werden, zeugen von der gründlichen zeichnerischen Ausbildung, die Günter Schmitz in den 20er und 30er Jahren erhalten hatte. Mit seinen Arbeiten prägte er nachhaltig das Bild einer Epoche, denn Schmitz interessierte sich weniger für die Produkte als vielmehr für die Menschen.
Da lächeln schöne Frauen und werben für Schönheitsseifen, Zahnpasta oder Schuhputzcreme. Der Sandmann reitet auf einer Zahnputzbürste und soll so den Kleinen das Zähneputzen mit „Putzi“ schmackhaft machen. Da sind aber auch die Plakate mit Werbebotschaften der anderen Art: Auf einem Plakat zum Internationalen Frauentag haben sich drei Damen untergehakt, tragen Blumen und Geschenke bei sich, lachen – Frauen im Sozialismus waren glücklich und geehrt.
Väter und Söhne fahren gerne Fahrrad, vielleicht zum Strand. Der schwungvolle Schriftzug „Frohe Ferientage“ macht die Sache klar. Ganz klein steht auf dem Plakat von 1956 geschrieben, daß „jeder Arbeitende ein Recht hat auf Erholung, auf jährlichen Urlaub gegen Entgelt“ (Artikel 16 der DDR-Verfassung). Doch als dann immer mehr das Angebot in Konsum und HO das Kaufverhalten des Bürgers bestimmte, Werbung immer mehr zur Produktinformation mutierte (und schließlich ganz verschwand), waren Leute wie Günter Schmitz nicht mehr gefragt.
Die zweite neue Ausstellung der Sammlung industrielle Gestaltung widmet sich „Hinterlassenschaften“ aus dem Zentralkomitee der SED und dem Ministerrat der DDR. Dank des Bundesvermögensamtes konnte die Sammlung ganze Wagenladungen voller Möbel und anderen Einrichtungsgegenständen in ihren Bestand aufnehmen. Wenn auch die wirklich spektakulären Dinge, wie Honeckers oder Stophs Schreibtisch längst woanders stehen, nämlich in den beiden Historischen Museen in Berlin bzw. Bonn, so lohnt ein Blick auf die anderen Hinterlassenschaften doch allemal: Gardinen, Geschirr, Heizkörperverkleidungen, Bilder, technische Geräte, Speisewagen, Aschenbecher, Auslegeware, Putzmittel, der lange Konferenztisch von Honecker. Alle diese Dinge sind an und für sich interessant anzusehen. Nur, was sollen sie uns sagen? Sie wirken etwas verloren ohne ihr authentisches Umfeld.
Eines macht dieses Sammelsurium aber deutlich. Honeckers großer Konferenztisch, ganz aus Edelholz, und Stophs kleiner Beratungstisch, nur aus Spanplatte mit Kunststoff-Folie, waren Tische wie alle anderen auch, an denen man früher „regieren“ und heute ganz prima sitzen und essen und plaudern kann. Das durften allerdings nur die Gäste am Eröffnungstag probieren.
Und: Mit wenigen Ausnahmen (zum Beispiel einem Servierwagen aus dem Westen) lebten und regierten Partei und Staat im selben DDR-Design wie ihre Untertanen. Was Ulbricht & Co umgab, demonstriert kleinbürgerlichen Konformismus, mit einem Hang zu ausladenden, repräsentativen Möbeln. Genau dies zu zeigen, ist das Verdienst der kleinen Ausstellung, die einmal mehr beweist, wie wichtig die Sammlung industrielle Gestaltung ist. Unverständlich sind in diesem Zusammenhang Überlegungen der Stiftung Stadtmuseum, die Sammlung zu splitten und auf andere Museen aufzuteilen. Andreas Hergeth
Knaackstraße 97, Mi.–So. 14–21 Uhr, bis zum 15. Februar 1998
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