Di Pietro endgültig auf der Teststrecke

■ Italiens ehemaliger Korruptions-Oberermittler startet zur Eroberung eines Senatssitzes – als Generalprobe für höhere Weihen

Rom (taz) – Ein erneuter Freispruch für Antonio Di Pietro hat den Weg für seine Senatskandidatur freigemacht: Wegen sechs angeblicher Unkorrektheiten bei der Protokollierung von Aussagen Beschuldigter sollte das Symbol des italienischen Antikorruptionskampfes nach Ansicht von Staatsanwälten aus Brescia vor Gericht. Di Pietro hatte, wie er selbst angab, seine Verhöre nur zum Teil selbst geführt – wohl aber am Ende das gesamte Protokoll dem Beschuldigten Wort für Wort vorgelesen und auf dessen Einwände sämtliche Korrekturen angebracht. Die Staatsanwaltschaft sah die zeitweise Abwesenheit als schweren Verstoß gegen das Strafverfahrensrecht und sogar als Urkundenfälschung an. Das Vorermittlungsgericht dagegen, das für die Zulassung der Anklage zuständig ist, konnte keinerlei Verstoß gegen die Prozeßregeln erkennen – nach nicht einmal zehn Minuten Beratung lehnte es den Antrag der Staatsanwaltschaft als „offensichtlich unbegründet“ ab.

Di Pietro hatte angekündigt, sich aus der Politik zurückzuziehen, falls die Anklage zugelassen worden wäre – jetzt wird er für den Senat kandidieren. Im Wahlkreis Florenz/Mugello hat der bisherige Inhaber des Mandats, Pino Arlacchi, wegen seiner Berufung an die Spitze der Antidrogenbehörde der Vereinten Nationen seinen Rücktritt erklärt, und Di Pietro kandidiert nun für den 9. November auf der Mitte-Links-Liste des „Olivenbaum“-Bündnisses, das die derzeitige Regierung in Rom trägt.

Der Wahl wird aus mehreren Gründen große Bedeutung beigemessen. Zum einen ist dies die erste Möglichkeit zu sehen, wie gut Di Pietro, dem in Meinungsumfragen meist mehr als zwei Drittel der Italiener höchste Ämter zutrauen, tatsächlich beim Wahlvolk ankommt. Andererseits sucht die Rechte, insbesondere der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi, die Wahl Di Pietros mit allen Mitteln zu verhindern: Berlusconi, dem der Antikorruptionsermittler 1994 das erste Strafverfahren (es ist noch im Gange) angehängt hat, fürchtet einen Erfolg des einstigen Oberermittlers wie der Teufel das Weihwasser.

Denn ein Di Pietro im Parlament wird wohl keine Ruhe geben und alle inzwischen klammheimlich auch mit einigen Teilen der Regierungskoalition ausgemauschelten Pläne für eine Amnestie von Korruptionsfällen schwer beeinträchtigen. So hat Berlusconi denn auch seinen unumstritten bissigsten Wadenbeißer als Gegenkandidaten lanciert, Giuliano Ferrara. Der gelernte Journalist, der ursprünglich von der KP kam, dann zu den Sozialisten ging und schließlich rechts bei Berlusconi landete, leitete bis vor einem Monat das landesweit größte Politmagazin Panorama und hatte das Blatt in der letzten Zeit nahezu ausschließlich zur Hetze gegen Di Pietro benutzt. Auch als Gegenkandidat hat er seine Strategie ganz auf Diffamierungen aufgebaut – was nicht unbedingt lohnt, wie Meinungsumfragen zeigen. Danach wird Ferrara nicht einmal halb so viele Stimmen bekommen wie Di Pietro.

Doch es ist noch ein dritter Kandidat im Spiel: Alessandro Curzi, vordem Chefredakteur des dritten staatlichen Kanals RAITRE. Ihn hat die linke Rifondazione Comunista aufgestellt – aus Ärger darüber, daß die „Olivenbaum“- Chefs die Ultralinken nicht konsultiert hatten; überdies ist ihnen der wertkonservative Di Pietro sowieso nicht geheuer. Allerdings liegt Curzi bei nicht einmal zehn Prozent. Werner Raith