Yassir Arafat will den Sumpf trockenlegen

Ein Parlamentsausschuß soll die Korruptionsvorwürfe gegen Minister und Beamte der palästinensischen Autonomiebehörden klären. Yassir Arafat will mit einem Reformpaket durchgreifen  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Während Palästinenserpräsident Yassir Arafat sich auf Deutschlandbesuch befindet, kocht zu Hause der Skandal um die Korruption und Verschwendung von Geldern in Millionenhöhe wieder hoch. Ein Parlamentsausschuß beginnt heute in Ramallah im Westjordanland mit der Anhörung von Ministern und Beamten der palästinensischen Autonomiebehörde.

Neuer Skandal überschattet die Reform

Der Ausschuß hat seine Untersuchungen ausgeweitet. Nicht nur die betroffenen Staatsbediensteten werden angehört. Erstmals können auch Privatpersonen vor dem Ausschuß aussagen. Vor knapp zwei Monaten hatte der Ausschuß die Entlassung aller palästinensischen Minister verlangt, nachdem eine Untersuchung zu Tage gefördert hatte, daß die Ministerien im Finanzjahr 1996 rund 65 Millionen Dollar veruntreut hatten.

Bislang hat Arafat, der alleine über die Ernennung und Entlassung von Ministern entscheidet, sich den Forderungen des Parlaments widersetzt. Und das, obwohl ein von ihm selbst eingesetzter Kontrollausschuß in einem vorhergehenden Bericht sogar von der Verschwendung und Veruntreuung von 325 Millionen Dollar gesprochen hatte. Doch mehren sich inzwischen die Gerüchte, daß Arafat in Kürze offiziell eine Reihe von Reformen ankündigen wird.

Überschattet werden diese Bemühungen allerdings von einem neuen Skandal im Landwirtschaftsministerium. Laut einem Bericht der unabhängigen palästinensischen Wochenzeitschrift Palestine Report hat Landwirtschaftsminister Abdel Jawad Saleh hohe Beamte seines Ministeriums des Betruges und der Korruption beschuldigt. Auf einer Sitzung des palästinensischen Parlaments in Ramallah soll Saleh den Berichten zufolge erklärt haben, daß Beamte in seinem Ministerien israelische Agrarprodukte mit gefälschten Lizenzen ausstatteten, um sie in Jordanien auf den Markt bringen zu können.

Zwar ist die Einfuhr israelischer Produkte nach Jordanien seit dem Friedensvertrag von 1994 erlaubt, doch boykottieren die Jordanier wegen Israels Haltung gegenüber den Palästinensern in ihrer überwiegenden Mehrheit israelisch ettikettierte Waren. Obwohl Saleh den Betrug bereits zweimal beim palästinensischen Generalstaatsanwalt angezeigt hat, seien bislang keinerlei Maßnahmen ergriffen worden.

50.000 Mark für nichts, keine einzige Leistung

Der Minister beschuldigt desweiteren sein eigenes Planungszentrum in Nablus der „Sabotage“. Das Zentrum gebe monatlich rund 50.000 Mark aus, ohne auch nur eine einzige Leistung zu erbringen. Der stellvertretende Landwirtschaftsminister beschuldigte dagegen Saleh, die Arbeit des Ministeriums zu lähmen, und wies die Korruptionsvorwürfe generell zurück. Während Saleh als einer der wenigen unabhängigen Parlamentsmitglieder in ein Ministeramt berufen wurde, gilt sein Stellvertreter, Azzam Tbeileh, als Günstling Arafats.

Nach Angaben aus dem Ministerium übergeht das Präsidentenbüro den Minister und kommuniziert häufig nur mit Tbeileh. Alle Minister, die nicht Arafats Partei Al-Fateh angehören, haben nach Angaben des Palestine Report einen Fateh-Stellvertreter. Das palästinensische Parlament hat den Konflikt nach einer hitzigen Debatte an den Wirtschaftsausschuß überwiesen, der nun eine Untersuchung der Korruptionsvorwürfe durchführen soll.

Die von Arafat anvisierten Reformen beziehen sich nach Angaben lokaler Zeitungen vor allem auf die Ausgaben der palästinensischen Ministerien und Behörden. Die Zeitungen berufen sich auf „Quellen aus der Umgebung des Präsidenten“. Demnach soll vor allem überprüft werden, ob Posten wie „stellvertretende Minister“ oder „Generaldirektoren“ überhaupt erforderlich sind. Die Autonomiebehörde hat nämlich nach palästinensischen Angaben mehr Generaldirektoren als die Volksrepublik China.

Gehaltsempfänger wurden noch nie gesehen

Ferner soll Berichten nachgegangen werden, wonach hohe Beamte, die entsprechende Gehälter beziehen, niemals oder höchst unregelmäßig im Ministerium gesehen wurden. Einigen wird sogar nachgesagt, daß sie im Ausland leben. Arafat wird den Berichten zufolge auch anordnen, daß die Ausgaben für den Fuhrpark der Ministerien überprüft werden und die Privatnutzung von Behördenwagen untersagt wird. Selbst die beliebte, aber kostspielige Nutzung der Mobiltelefone soll per Präsidentenerlaß eingedämmt werden.

Offiziell wird als Grund für all diese Reformen die Sorge des Präsidenten um wachsende Spannungen zwischen dem Parlament und der Autonomiebehörde angegeben. Doch könnte neben den Korruptionsvorwürfen auch der Rücktritt des prominenten Abgeordneten Haidar Abdel Shafi vor drei Wochen die Reformbemühungen beschleunigt haben. Abdel Shafi hatte in öffentlichen Erklärungen die völlige Mißachtung der vom Parlament beschlossenen Gesetze durch die Autonomiebehörde als Grund für seinen Rücktritt angegeben. Arafat will deshalb angeblich sogar einen neuen Ministerposten schaffen, der die Arbeit zwischen Parlament und Kabinett koordinieren soll.

Ein Ausschuß aus Ministern und Abgeordneten soll zudem prüfen, welche der bislang 187 Gesetze, die das Parlament erlassen hat, eigentlich umgesetzt wurden. Der öffentliche Druck auf die Autonomiebehörde ist auch an Arafat nicht spurlos vorübergegangen.