: Antisemitismus von der Kanzel
Priester hetzt gegen jüdischen Minister in Polens künftiger Regierung. Gemeint ist Bronislaw Geremek, der derzeit noch als Außenminister gehandelt wird ■ Aus Warschau Gabriele Lesser
„Man darf die jüdische Minderheit nicht zu unserer Regierung zulassen, denn dies genau fürchtet das polnische Volk“, predigte am Sonntag Henryk Jankowski, der für seine antisemitischen Ausfälle bekannte Beichtvater Lech Walesas in der Danziger Brigittenkirche. „Wir müssen uns allem Schlechten entgegenstellen, jener Arroganz, die Bronislaw Geremek im Fernsehen bezeugt hat, obwohl er gar nicht Außenminister ist und es auch nicht sein sollte“, erklärte er laut Nachrichtenagentur PAP.
Bronislaw Geremek (65), der in der vergangenen Legislaturperiode Vorsitzender der Sejmkommission für Auswärtiges war, gilt als aussichtsreichster Kandidat für das Amt des Außenministers in der neuen rechtsliberalen Regierung. Der bekannte Geschichtsprofessor wird seit letzter Woche vom einflußreichen nationalkatholischen Flügel innerhalb der „Wahlaktion Solidarność“ (AWS) diffamiert. Die AWS hat im September die Parlamentswahlen gewonnen und wird nun gemeinsam mit der Freiheitsunion (UW) eine Koalitionsregierung bilden. Professor Geremek, so seine Kritiker, sei für den Posten des Außenministers „zu intelligent“.
Inzwischen haben sich sowohl der Generalsekretär der Bischofskonferenz in Polen, Tadeusz Pieronek, als auch der Erzbischof von Danzig, Tadeusz Goclowksi, von der antisemitischen Predigt des Danziger Solidarność-Priesters distanziert. Pieronek warf ihm „Mißbrauch der Kanzel“ vor. Er verstehe nicht, was in Jankowski vorgehe. In einem Interview erklärte der Bischof: „Es ist eine krankhafte Manie Pfarrer Jankowskis, Menschen unwürdig zu behandeln. Er sollte sich mit der Verkündigung des Evangeliums beschäftigen und nicht Menschen nach Herkunft, Rasse, Religion oder Hautfarbe in Schubladen stecken.“
Erzbischof Goclowski soll entscheiden, ob dem Prälaten ein weiteres Mal verboten werden soll, antisemitische Predigten zu halten, oder ob er in eine andere Diözese versetzt wird. Dieser erklärte am Sonntag abend, die Predigt Jankowskis sei ein weiteres Beispiel für dessen Inkompetenz und mangelnde Sorge um Polens Gemeinwohl. Er mißbrauche die Kanzel für politische Zwecke. Zu Sanktionen äußerte sich Goclowski nicht.
Vor zwei Jahren hatte der Danziger Prälat in einer Predigt die Regierungsmitglieder aufgefordert, offen zu bekennen, ob sie „aus Moskau oder Israel“ kämen. Der Davidstern nämlich, so erklärte er wenig später, sei als „Symbol der Unterdrückung nicht nur im Hakenkreuz, sondern auch in Hammer und Sichel“ enthalten. Der Prälat entschuldigte sich zwar für diese Worte, um in der Brigittenkirche bleiben zu können. Doch in allen Buchhandlungen Polens kann man sein Buch kaufen: „Es gibt nichts, wofür ich mich zu entschuldigen hätte.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen