: "Gruppenantrag kommt zu früh"
■ Peter Altmaier, einer der jungen CDU-Abgeordneten im Bundestag, möchte im Streit um die doppelte Staatsangehörigkeit nicht auf Zufallsmehrheiten im Parlament setzen. Das würde unnötig polarisieren
taz: In den letzten Tagen hat sich die Debatte über das Staatsangehörigkeitsrecht wieder verschärft. Ausgerechnet Sie, einer der maßgeblichen CDU-Politiker, die sich seit langem für die doppelte Staatsbürgerschaft einsetzen, haben sich öffentlich nicht geäußert. Haben Sie Angst vor der eigenen Courage?
Peter Altmaier: Überhaupt nicht. Wir tun alles dafür, daß unsere Vorstellungen in der Fraktionssitzung in 14 Tagen mehrheitsfähig sind.
Was heißt das: alles tun?
Es geht um die Reformfähigkeit unserer Gesellschaft. Das Thema Integration von Ausländern muß noch vor der Bundestagswahl zufriedenstellend, also ohne faule Kompromisse gelöst werden. Das bedeutet, daß Kinder von in Deutschland geborenen Ausländern von Anfang an in unserer Gesellschaft als Deutsche aufwachsen müssen.
Sie weichen der Frage aus, was Sie konkret dafür tun können. Für Sie sieht es doch nicht gut aus, seitdem sich Bundeskanzler Helmut Kohl offen gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen hat. Auch die CSU zeigt sich unversöhnlich.
Es gibt eine Kompromißmöglichkeit. Leider haben sich bestimmte Beteiligte bisher jedoch keinen Millimeter bewegt. Wir setzen darauf, daß sich die Vernunft durchsetzen wird. Kein Fachmann bestreitet, daß das geltende Staatsangehörigkeitsrecht integrationshemmend wirkt, weil es Kinder und Jugendliche ausgrenzt.
Noch mal, Herr Altmaier: Was konkret werden Sie tun?
Es geht jetzt darum, das Meinungsbild in der Fraktion zu klären. Erst wenn sich herausstellt, daß ein vernünftiger Kompromiß scheitert, muß man darüber nachdenken, ein offenes parlamentarisches Verfahren zu ermöglichen.
Also eine Aufhebung des Fraktionszwangs. Ist das nicht sehr unwahrscheinlich? Schließlich würde das zu einem Mehrheitsergebnis gegen den erklärten Willen des Bundeskanzlers Kohl sowie des Vizekanzlers Waigel führen.
Bei den Themen Abtreibung und Vergewaltigung in der Ehe war das doch auch möglich.
Wäre es nicht sinnvoller, einen Gruppenantrag aus der Mitte des Parlaments zu initiieren? Der Union würde dann eine Aufhebung des Fraktionszwangs möglicherweise leichter fallen. Ansonsten müßte sie die Blamage fürchten, daß sich Koalitionsabgeordneten gegen den Willen der CDU zumindest der Stimme enthalten.
Die Diskussion über den Gruppenantrag ist zu früh. Erst müssen wir die Fraktionssitzung abwarten. Ich warne aber davor, auf Zufallsmehrheiten im Parlament zu setzen, weil sie die gesellschaftliche Diskussion unnötig polarisieren.
SPD, Grüne und FDP halten den Gruppenantrag für die einzige Lösung. Also Butter bei die Fische: Könnte es nach der Fraktionssitzung zu einem Gruppenantrag kommen?
Ich halte das für bedenklich. Trotzdem kann es zu einer Situation kommen, wo ein offenes parlamentarisches Verfahren die einzige Möglichkeit ist, die völlige Blockade einer vernünftigen Entscheidung zu verhindern.
Selbst Ihr hessischer Kollege Roland Koch, auch ein sogenannter junger Wilder, hat gesagt, Sie repräsentierten die Meinung einer „marginalen Minderheit“ in der CDU. Wie wollen Sie sich da durchsetzen?
Im vergangenen Jahr haben 150 führende Repräsentanten der CDU, darunter 30 Bundestagsabgeordnete, durch ihre Unterschrift belegt, daß sie für eine zeitlich begrenzte doppelte Staatsbürgerschaft eintreten. Das ist beileibe keine marginale Minderheit. Interview: Markus Franz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen