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Streit um die Kunst am Bau

■ Architektur-Elite contra Urbanitätsgestaltung: In Hamburg prallen derzeit conträre Zukunftsentwürfe aufeinander

Wer soll die Zukunft unserer Städte gestalten? Internationale Stararchitekten, die von Wettbewerb zu Wettbewerb eilen und mit kühnem Federstrich jene Gebäude und Stadtteile entwerfen, die ein Heer von Arbeitern, Bauunternehmern und Investoren anschließend realisieren darf? Oder brauchen wir in Zukunft einen ganz neuen Berufsstand von „StadtgestalterInnen“, Menschen, die gleichzeitig Armutsbekämpfung, die Entwicklung quartiernaher Arbeitsplätze, zukunftsfähige Verkehrsentwicklung, Stadtplanung und Architekturkonzepte wuppen können?

Beim Streit um die zukünftige Art der Architektenausbildung in Hamburg prallen diese beiden Weltbilder derzeit unversöhnlich aufeinander. Ausgelöst wurde der Streit von zwei SPD-Politikern: Ex-Bürgermeister Henning Voscherau, beflügelt von seinen Fortschritten bei der Planung der Hafen-City, ließ den Senat im April 1996 eine handverlesene Kommission von sechs ArchitektInnen unter Führung des Hafen-City-Planers Egbert Kossak beauftragen, eine neue Architektenausbildung zu planen.

Die Kommission leistete in nur sechs Sitzungen ganze Arbeit. Geht es nach ihren Plänen, so soll die Stadtplanerausbildung an der Technischen Universität Harburg (TU) vollends abgeschafft, die Architekten-Ausbildung an der Fachhochschule (FH) halbiert werden. Dafür entstünde an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) ein ebenfalls verkleinerter Elite-Studiengang Architektur. Dabei soll der Abbau an FH und TU die ganz erheblichen Kosten einer Elite-Ausbildung durch internationale Gastprofessoren und einen kleinen, feinen Kern bestbezahlter Hochschulmitglieder finanzieren.

Das Leitbild dieses Vorschlags verkörpert Kommissionsmitglied Meinhard von Gerkan höchstpersönlich. Der renommierte Großbaumeister der Nation hält ebenso wenig von der sozialempirisch angehauchten modernen Planerzunft wie von mittelmäßigen Massenbaufabrikanten. Er teilt mit Kossak und Voscherau einen Elite-Begriff, nach welchem es einer handverlesenen Schar von Spitzenkönnern vergönnt sein muß, die Welt zu gestalten.

Die Entscheidung der HfbK, Gerkan als Kandidaten für eine an der Kunsthochschule angesiedelte Architekturschule oder Bauakademie zu benennen, ist daher nur konsequent. In Gerkans Ausbildungskonzept steht der „künstlerische Entwurf“im Mittelpunkt, also genau jener Teil der Architektenarbeit, den sein Kontrahent Dieter Läpple von der TU zwar für „eminent wichtig“hält, der aber eben nur einen kleinen Bruchteil jenes Fähigkeitenprofils umfasse, welches StadtbaumeisterInnen der Nation heute brauchen.

Statt an einem „Architekturbegriff des 19. Jahrhunderts“festzuhalten, will Läpple eine Ausbildung, in der künstlerische Qualität, das Wissen um soziale, ökologische und ökonomische Zusammenhänge sowie die ganz praktischen handwerklichen Fähigkeiten von Konstruktion, Bau und Management gleichberechtigt nebeneinanderstehen.

Einem solch hehren Anspruch wird freilich auch die TU bislang nicht gerecht. FH und TU wollen deshalb ihre Kooperation ganz erheblich ausbauen, was bis hin zu einem eng verzahnten hochschulübergreifenden Ausbildungskonzept reichen könnte. Beide Hochschulen arbeiten derzeit an Gegenkonzepten zum Vorstoß der HfbK, die sie schon in Kürze vorlegen wollen. Dabei ist eine grundsätzliche Bereitschaft zur Kooperation mit dem künstlerischen Potential der HfbK durchaus vorhanden. Ob die Hochschule der Künste da mitspielen wird, ist jedoch fraglich. Ein Mitarbeiter der FH, der ungenannt bleiben will, meint etwa: „Die HfbK ist in ihrem heutigen chaotischen Zustand kaum kooperationsfähig.“ Florian Marten

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