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Drama Camarmena Von Thomas Gsella

Seitdem die kaum viel mehr als 110 Bewohner des nordspanischen Bergdorfs Camarmena keine Steinadler mehr erschießen dürfen, ist das Leben in Unordnung geraten; schließlich trifft es mit den Ziegenbauern wieder mal die Ärmsten der Armen. Als nächstes will ich deutlich machen, wie sehr mich dieser Satz erstaunt; Kolumnenanfänge sehen in der Regel anders aus. Aber sei's drum: der hier eben nicht. Und wo wir schon dabei sind: Das Unheil braute sich zusammen anno 1995 n. Chr., vor grad zwei Jahren also, mit einer Umweltschutzverordnung der Europäischen Union (EU). Man wollte nicht, daß der einstmals in La France südöstlich der Pygmäen und dann weiter unten auf dem Globus angesiedelte Luftraumgroßvesir aussterbe oder -stürbe, man erließ ein Gesetz, und tatsächlich stieg die Zahl der kinderlieben Schwebeakrobaten nach Start der Schutzaktion gemach bis außerordentlich an.

Nicht alles freilich, was dem spitzkralligen Majesto unter unseren Raubpiepmatzen hilft, schmeckt auch dem Spanier! Zumal in jenen karstig durchwehten Höhe des Gebirgszugs „Picos de Europa“. Zur Illustrierung ruhig mal ein Beispiel aus dem harten Alltag derer aus dem Stamme Julio Iglesias', etwa Dienstag morgen, 4.30 Uhr: Behängt mit lehmigbrauner Schlabberjacke und einer Öllampe – Elektrizität ist hier oben ein Fremdwort! – kommt ein dünner alter Ziegenbauer in den Stall, zählt die Kälber oder wie die Ziegenbabys heißen durch und kommt zu dem Ergebnis: 1, 2, 3, 4, 5, 6. Mit anderen Worten: eins fehlt! Recherchen im Umfeld ergeben: Gott hat's gegeben, Gevatter Federfürst hat's gefuttert, vermutlich schon auf der Wiese. Flatterflatter, krallkrall, kaukau, gefressen war das Lamm.

Solche Vorkommnisse sind es, die seit Jahrhunderten dafür sorgen, daß die Feindschaft zwischen den Löwen der Stratosphäre und den traditionell bärhäutigen Gebirgsspanacken nicht ab-, sondern eher noch zunimmt. Alle Töne, die zwischen den betroffenen Parteien hin- und herwandern, entstammen einem Orchester der Anti-Gefühle, gesponsert von den Firmen „Futterneid AG“ und „Aggression & Söhne“. Wie weit just der EU- Erlaß da sonderlich zum Schlichten beihilft, muß wohl bezweifelt werden! Im Gegenteil! Vonnöten ware eine Neufassung, eine ernstgemeinte Kompromißnovelle, die das Adlerschießen weiterhin verbietet, aber auch erlaubt – nämlich mit Beruhigungsspritzen. Wie bei Elefanten. Nur: Welcher Ziegenbauer kann dermaßen zielen, daß er einem Adler eine Valiumkanüle in den Schenkel jodeln kann? Gefragt sind da wohl komplizierte Vorfelduntersuchungen...

Was die wohl ergeben werden? Die Devise kann nur heißen: mal gucken! Mehr weiß ich jetzt nicht. Meine überlebensgroße Hoffnung, die skizzierte Problematik würde im Verlauf des „Schreibens“, des oft selbstquälerischen „Behandelns“ und „Sich-selbst-am-Thema-Abarbeitens“ reichlich neue Winkel und Aspekte, Ecken, Kurven, Pyramiden, Kegel und Segmente zeigen, hat sich zwar zu achtzehn Zwangzigsteln erfüllt – aber fünf von hundert Zeilen fehlen noch, meine Damen und Herren. Ein alter, weltbekannter Autortrick geht so: „Jetzt sind es nur noch drei Zeilen.“ Aber sowas mach' ich natürlich nicht, hehe.

Gott, ist das peinlich.

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