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Europa tappt hinterher

■ Der deutsche Genpflanzenkrösus Agrevo wächst: teils 20 Prozent Marktanteil

Berlin (taz) – Es wurden Kekse gereicht gestern in Berlin auf der Pressekonferenz, „mit gentechnisch verändertem Rapsöl gebacken“, wie die Veranstalterfirma AgreEvo stolz verkündete. Und sie wollte damit zeigen: Die Agrarindustrie ist in den letzten Jahren ein Hauptanwendungsfeld der Gentechnik geworden. Die Hoechst Schering Agrevo GmbH ist weltweit dabei. Die Frankfurter Hoechst AG hat 1994 ihren Pflanzenchemiebereich ebenso in die GmbH eingebracht wie der Berliner Pillendreher Schering. Hoechst hält aber mit 60 Prozent die Mehrheit an der Firma.

Die beiden Mütter pumpen stetig Geld in ihre Tochter. Agrevo kauft Saatgut- und Gentechnikfirmen auf der ganzen Welt und gehört nun schon zu den großen Fünf der Agrarchemie- und Saatgutbranche. 1997 rechnet der Geschäftsführer Gerhard Prante mit einem Umsatz von 4,1 Milliarden Mark und einem Gewinn von etwa 320 Millionen Mark.

Was die Verbindung einer jungen Gentechfirma samt einer neuen Methode mit der weltweiten Marktmacht der Agrevo bringen kann, zeigt der Rapsanbau in Kanada. Dank der belgischen Tochterfirma Plant Genetics Systems PGS besitzt die Agrevo die Patente auf eine neue Sorte der wichtigen Ölfrucht: Unter anderem ist der Agrevo-Raps resistent gegen das Allround-Pestizid mit dem schönen Namen „Liberty“. Die Bauern können also bequem alles Unkraut mit einem Schlag wegspritzen, der Raps wächst trotzdem. Innerhalb von zwei Jahren eroberten die Frankfurter damit 20 Prozent des kanadischen Rapsmarktes, eine Fläche von 9.000 Quadratkilometern.

Die Bedenken der Europäer und speziell der Deutschen gegen die Gentechnik wischt die Agrevo vom Tisch. In Nordamerika werde 1997 mit 120.000 Quadratkilometern mehr Fläche mit „genetisch verbesserten“ Sorten angebaut, als in Deutschland überhaupt Ackerfläche zur Verfügung stehe, so Geschäftsführer Prante. Und diese Gensoja, Raps, Baumwolle oder Mais könnten selbstverständlich nach Deutschland eingeführt werden. Dafür würden schon die internationalen Handelsabkommen sorgen. Schließlich sei in keinem Fall eine Schädlichkeit der Produkte nachgewiesen worden.

Die antiquierte Ansicht der Europäer von Landwirtschaft sei längst überholt, so der Agrevo- Chef. Wer die Biotechnologie verschläft, wird demnach einfach das Geschäft abgeben. Denn die großen Firmen bestimmen auf vielen Märkten, wo es langgeht. So haben beispielsweise die vier größten Anbieter von Gemüsesamen einen Marktanteil von mehr als zwei Dritteln. Die Agrevo ist hier weltweit die Nummer vier, weil sie sich 1997 die niederländische Nunhems und die kalifornische Sunseed einverleibt hat. Reiner Metzger

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