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Mehr Schutz für europäische Verbraucher

EU-Mitgliedsstaaten kommen aber kaum über Lippenbekenntnisse hinaus. Der Verbraucherschutz hinkt dem Binnenmarkt deutlich hinterher. Einheitliche Richtlinie wird noch auf sich warten lassen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Die Regierungen der EU wollen den Verbraucherschutz im Binnenmarkt stärken. Vor allem bei Lebensmitteln sollen die Verbraucher mehr Rechte und Sicherheiten bekommen. Im Klartext: Auch Landwirte und Agrarfabriken könnten dann für die gesundheitlichen Folgen wie Rinderwahnsinn oder Salmonellenvergiftung auf Schadenersatz verklagt werden. Die für Verbraucherschutz zuständigen Ministerien der EU-Mitgliedsländer begrüßten gestern in Brüssel die Vorschläge der EU- Kommission, mit einer einheitlichen Richtlinie die Lücken in der EU-Gesetzgebung zu schließen.

Doch weil der Ministerrat ausnahmsweise öffentlich tagte, war Kritik an einem für die Bevölkerung so sensiblen Thema auch nicht zu erwarten. Die Bedenken und Einschränkungen werden erst bei den nächsten Sitzungen hinter verschlossenen Türen vorgebracht. Bisher hat die EU eine Reihe von Richtlinien für die verschiedensten Produktbereiche. Sie regeln manchmal die Produkthaftung, die Kennzeichnung, die Mindestanforderungen. Sie wurden immer erst dann beschlossen, wenn es bereits Probleme gab. Der Verbraucherschutz hinkt dem Binnenmarkt immer ein gutes Stück hinterher.

Nach dem BSE-Desaster und dem damit verbundenen Imageschaden für die EU hat die Brüsseler Kommission nun einen Anlauf für einen umfassenden Verbraucherschutz gemacht. Der erste Schritt war die Aufwertung der Verbraucherabteilung zu einer von 24 Generaldirektionen mit 200 Mitarbeitern. Die Kontrolle der Lebensmittelherstellung untersteht seitdem der Verbraucherschutzkommissarin der EU, Emma Bonino, und nicht mehr der für Lobbydruck anfälligen Agrarabteilung.

Als zweiten Schritt fordert die EU-Kommission nun eine zusammenhängendere Gesetzgebung. Denn die unterschiedlichen nationalen Verbraucherschutzbestimmungen greifen angesichts des grenzenlosen Warenverkehrs immer häufiger ins Leere. Das hat sich zum einen bei BSE gezeigt, wo etwa in Deutschland strikte Herkunftsnachweise verlangt werden, in anderen EU-Ländern aber die gesetzliche Grundlage dafür fehlt. Das andere Beispiel betrifft gentechnisch manipulierte Lebensmittel. Österreich verbietet die Einfuhr solcher Produkte, hat aber Probleme, das auch zu kontrollieren. Die EU versucht sogar, Österreich zur Aufhebung des Verbots zu zwingen, weil es dem Binnenmarkt widerspreche.

Vor diesem Hintergrund ist die breite Zustimmung der EU-Regierung zu einem einheitlichen Verbraucherschutz nicht viel mehr als ein Lippenbekenntnis. Konkret wehrt sich etwa Bonn gegen die Ausweitung von Produktgarantien auf zwei Jahre, weil das den Unternehmen zu lang ist. Die französische Regierung dagegen sorgt sich vor allem um die Bauern, was die Staatssekretärin Marylise Lebranchu gestern in die elegante Formulierung packte, Paris begrüße die Haftung bei Agrarerzeugnissen für EU- und andere Landwirte. Was so unverfänglich klingt, bedeutet, daß die Agrarhaftung nur in Kraft treten kann, wenn sich die EU auf einen Handelskonflikt mit den USA einlassen will.

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