piwik no script img

Alles Gerhard

Wenn Niedersachsens Landesvater Gerhard Schröder geht, kommt Innenminister Gerhard Glogowski  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Er nennt sich gern „dienstältester Innenminister der Bundesrepublik“. Und in der Tat: Seit siebeneinhalb Jahren ist Gerhard Glogowski (SPD) Innenminister von Niedersachsen, und er ist für all das zuständig, was ihm so recht am Herzen liegt – für die Kommunen, für die Vereine vom Landesportbund bis hin zur freiwilligen Feuerwehr und nicht zuletzt für die innere Sicherheit im Lande und für die Polizei.

Der niedersächsische Polizeiminister, der wie sein Bonner CDU- Kollege Manfred Kanther das Haar mit einem geraden Seitenscheitel teilt und die schnarrend- schneidige Rede beherrscht, ist die unbestrittene Nummer zwei der niedersächsischen Sozialdemokraten. Glogowski ist Stellvertreter Gerhard Schröders im Amt des Ministerpräsidenten und im SPD- Landesvorsitz. Jüngst hielt er auf dem Wahlparteitag des SPD-Landesverbandes die Eröffnungsrede und wurde anschließend, natürlich hinter Schröder, auf Platz zwei der SPD-Liste für die Niedersachsenwahl plaziert. Wenn der eine Gerhard nächstes Jahr vollends aus der Landes- in die Bundespolitik entschwindet, soll der andere, ein Jahr ältere Gerhard, in dessen Fußstapfen treten. In der Kleinstadt Sarstedt beispielsweise begrüßte der dortige SPD-Landtagsabgeordnete den Innenminister schon ganz selbstverständlich mit den Worten: „Wenn es bei den Niedersachsenwahlen gut vorangeht und Gerhard Schröder Kanzlerkandidat ist, wird Gerhard Glogowski ein guter Ministerpräsident sein.“

Im Rahmen der SPD-Veranstaltungsreihe „Aktiv gegen Angst“ hatte Glogowski in Sarstedt über die Kriminalitätsentwicklung referiert und die Parteibasis zur Mitarbeit in kommunalen Präventionsräten aufgerufen. Früher galt er als Exponent eines rechten SPD-Flügels in Niedersachsen. Seit sich aber Gerhard Schröder zum bundesweiten Vormann der Parteirechten gemausert hat, sind solche Einordnungen in der folgsamen niedersächsischen SPD obsolet, ist der andere Gerhard im Landesverband konsensfähig geworden. Natürlich stritt auch Glogowski vor den 100 zumeist schon betagten Sarstedter ParteigenossInnen für Recht und Ordnung. Da war etwa Sprayen „keinesfalls ein Kavaliersdelikt“. Da plädierte er dafür, daß die Richter bei Verhängen von Strafen „den Rahmen des rechtlich Möglichen endlich ausschöpfen“ sollen.

Doch der 54jährige Glogowski, der immerhin schon zweimal schlicht grundrechtswidrig die Landeshauptstadt Hannover für Bunthaarige sperren ließ und für die zahlreichen Körperverletzungen beim letzten Castor-Transport die Verantwortung trägt, dramatisiert keineswegs die Kriminalität und schwadroniert nicht, wie etwa sein Kabinettschef, von kriminellen Ausländern. Er empfiehlt Bürgersinn und Zivilcourage statt gleichgültiges Nebeneinander: „Wenn der Nachbar im Urlaub ist und da fährt plötzlich der Möbelwagen vor und die Wohnung wird leergeräumt, da muß man sich darum kümmern“. Als Gerhard Schröder vor der Hamburg-Wahl via Bild rechtspopulistische „Ausländer raus!“-Parolen anstimmte, meldete sich der Innenminister zu Wort: Er habe die neue innenpolitische Linie der SPD durchgesetzt. Ein zweifelhaftes Verdienst.

In der Tat hat Gerhard Glogowski als Sprecher der SPD-Innenminister in zentralen innenpolitischen Fragen mit Manfred Kanther Kompromisse ausgehandelt, die seiner Partei nicht nur schmecken wollten: etwa bei der Visa- Pflicht für Einwandererkinder, bei der Abschiebung von bosnischen Flüchtlingen oder zuletzt auch beim Großen Lauschangriff. Von den amerikanischen Methoden der Verbrechensbekämpfung, die sein Bonner Gegenüber so gern propagiert, hält er allerdings wenig. „Wir haben mehr Polizisten als in New York, eine besser ausgebildete Polizei und halb soviel Straftaten“, erklärte Glogowski seinen Sarstedter Genossen und betonte: „Die vielen Übergriffe, die sich die Polizei in New York zuschulden kommen lassen, werden die Bürger hierzulande nicht tolerieren.“ Das eigentliche Problem sei die steigende Jugendkriminalität, der man aber nicht allein mit der Polizei, sondern nur mit Prävention begegnen könne. Kommunalpolitiker, Polizisten, Sportvereine, Sozialarbeiter und engagierte Bürger müßten deswegen vor Ort in ihrer Gemeinde Präventionsräte gründen. Mit mehr Polizeipräsenz allein seien Straftaten keineswegs zu verhüten. „Erfahrungsgemäß passieren Straftaten gerade immer da, wo momentan kein Polizist steht“, scherzt der Innenminister. Und wer hier für mehr Polizei auch mehr Steuern zahlen möchte, den will er „gleich beim zuständigen Finanzamt melden“.

Bei solchen kalauernden Pointen schimmert die für einen Norddeutschen ungewöhnliche Begeisterung für den Karneval durch. Glogowski ist zwar in Hannover geboren, aber in Bonn aufgewachsen. Sein Vater war Fahrer von Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer, bei Herbert Wehner machte der kleine Gerhard schon mal seine Schularbeiten. Nach seinem Volkswirtschaftsstudium arbeitete er zunächst auch als Bildungssekretär des SPD-Bezirks Braunschweig. Als Gerhard Schröder 1978 Juso-Bundesvorsitzender wurde, war Glogowski bereits seit zwei Jahren Oberbürgermeister von Braunschweig. Dank seines Wirkens – Glogowski liebt das ausgiebige Feiern – entwickelte sich die Stadt zur norddeutschen Hochburg des Karnevals.

Gerhard Schröder, der seit Jahren weit mehr für seine bundespolitischen Ambitionen arbeitet, als er in Hannover als Ministerpräsident präsent ist, hat in seinem Innenminister einen loyalen Statthalter gefunden. Die alten Rivalitäten zwischen beiden sind beigelegt. Im kommenden Landtagswahlkampf allerdings will die niedersächsische SPD keineswegs mit einer Doppelspitze um die Wählergunst werben. Auf den Plakaten sei neben dem Zugpferd Schröder für einen Schattenministerpräsidenten kein Platz.

Ganz Parteisoldat, schweigt Glogowski zur Nachfolgefrage. „Dazu sage ich gar nichts“, meinte er nach seinem Auftritt vor dem Sarstedter SPD-Parteivolk.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen