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Frankophone Front gegen EU-Modernisierer

■ Erstes AKP-Gipfeltreffen im zentralafrikanischen Gabun soll die Dritte Welt gegen die Öffnung der EU-Entwicklungspolitik Richtung Freihandel und Menschenrechte vereinen

Libreville (taz) – Staats- und Regierungschefs aus 71 Ländern der Dritten Welt treffen ab heute im zentralafrikanischen Gabun zusammen, um eine gemeinsame Position bei der anstehenden Revision der EU-Entwicklungspolitik zu finden. Die sogenannten „AKP- Staaten“ (Afrika, Karibik und Pazifik), die seit 1975 über die Lomé- Abkommen mit der EU besondere Handelsbeziehungen unterhalten, sorgen sich um das zunehmende europäische Desinteresse an Afrika. Sie wollen der EU nahelegen, bisherige Instrumente der Handelspräferenz wie die Stabilisierungsfonds „Stabex“ (zum Ausgleich von Preisschwankungen bei Rohstoffexporten) und „Sysmin“ (zur Unterstützung des Bergbaus) beizubehalten, wenn 1998 die Verhandlungen über die Neuauflage der Lomé-Abkommen ab dem Jahr 2000 beginnen.

In EU-Kreisen wird derzeit diskutiert, ab 2000 die Sonderbehandlung für die AKP-Staaten aufzugeben und auch arme Länder außerhalb der AKP-Gruppe in die Lomé-Abkommen einzubeziehen. Afrikanische Länder fordern demgegenüber, daß bei einem Abbau der Präferenz für ihre Rohstoffexporte die EU Hilfen zum Aufbau eigener afrikanischer Verarbeitungsindustrien für Rohstoffe leistet und regionale Handelsblöcke wie die SADC im Südlichen Afrika unterstützt, anstatt zum Beispiel ein gesondertes Freihandelsabkommen mit Südafrika abzuschließen, wie es derzeit verhandelt wird.

Daß die Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika sich verändert, ist eindeutig. Beim EU- Gipfel von Cannes im Juni 1995 setzte Frankreich nur gegen deutschen und britischen Widerstand die Beibehaltung der EU-Hilfe für die AKP-Staaten auf dem bisherigen Niveau durch – 14,8 Milliarden Ecu für 1995 bis 2000. Der Preis dafür war, daß der französische Beitrag zum EU-Entwicklungsfonds höher ist als der deutsche. Bonn und London halten die Ausweitung der EU nach Osten für wichtiger als die Hilfe für die Dritte Welt. In EU-Kommissionsdokumenten wird unter anderem auf die verringerte strategische Bedeutung Afrikas nach Ende des Ost-West-Konflikts hingewiesen.

Seit neuestem geistert auch die Idee herum, Entwicklungshilfe müsse zur Konfliktverhütung beitragen. Zudem wendet die EU seit 1991 bei der Vergabe von Entwicklungshilfe Kriterien wie Demokratie und Menschenrechte an, die manchen afrikanischen Staaten mißfallen. Welche Spannungen das produziert, wurde beim jüngsten EU-AKP-Parlamentariertreffen vergangene Woche in Togos Hauptstadt Lomé deutlich – Geburtsort der Lomé-Verträge von 1975. Am Widerstand einiger afrikanischer Länder scheiterte bei der Versammlung ein Antrag, Togos Regierung zur Respektierung der Menschenrechte aufzufordern.

EU knüpft Afrika-Hilfe an neue Bedingungen

Unter diesen Bedingungen wollen viele afrikanische Regierungen die Zusammenarbeit mit Europa nicht mehr wie früher untergeordneten Technokraten überlassen. Seit längerem kursiert in Afrika die Idee, die AKP-Staatengruppe müsse eine eigene politische Identität finden. Ein Gipfeltreffen zu diesem Zweck schlug zuerst im November 1995 der damalige Premierminister von Mauritius, Sir Anerood Jugnauth, bei der Unterzeichnung der neuesten Version der Lomé- Abkommen vor. Jugnauth verlor kurz darauf die Wahlen in Mauritius, aber seine Idee wurde von anderen frankophonen Ländern in Afrika aufgenommen. Gabuns langjähriger Präsident Omar Bongo, ein enger Freund Frankreichs in Zentralafrika, übernahm die Spitze der AKP-Lobbyarbeit. So machten Gabun und andere frankophone Länder anderthalb Jahre lang die Wahl eines AKP- Generalsekretärs davon abhängig, daß ein AKP-Gipfel in Gabuns Hauptstadt Libreville stattfindet.

Für Libreville ist der Gipfel ein Großereignis. Trotz umfangreicher Hotelrenovierungen muß Gabuns Regierung einige der 71 Delegationen aus Platzmangel auf Schiffen logieren lassen. Den größten Nutzen aus dem Gipfel wird vermutlich Gabuns Präsident Bongo selbst ziehen: Er will liebend gern die Nachfolge der verstorbenen Präsidenten von Elfenbeinküste und Zaire, Felix Houphouet-Boigny und Mobutu Sese Seko, als symbolischer Führer des frankophonen Afrika antreten. François Misser

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