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Sozialhilfeempfänger im Datennetz

Gemeinden dürfen ab 1. Januar 1998 gegen den Mißbrauch von Sozialhilfe per Computerfahndung vorgehen. Bundesregierung verabschiedete gestern Beschluß zum „Datenabgleich in der Sozialhilfe“  ■ Aus Berlin Annette Rogalla

Alle reden über sie: arbeitsscheue Sozialhilfeempfänger, die sich auf Kosten des Steuerzahlers einen Lenz machen. Wie hoch die Zahl derer ist, die Staatsknete abzocken, weiß selbst Gesundheits- und Sozialminister Horst Seehofer (CSU) nicht. „Gesicherte Zahlen liegen uns nicht vor“, bekennt sein Pressesprecher.

Die Gefahr, daß dem Staat zu Unrecht Geld aus der Tasche gezogen wird, schätzt Seehofer jedenfalls so groß ein, daß er gestern im Kabinett eine „Verordnung zum Datenabgleich in der Sozialhilfe“ beschließen ließ. So der Bundesrat zustimmt, kann die Verordnung zum 1. Januar 1998 in Kraft treten. Danach sollen die Daten von Sozialämtern, Rentenversicherungsträgern und Arbeitsämtern alle drei Monate abgeglichen werden. „Doppelbezieher“ sollen ausgesiebt und falsche Angaben beim Sozialhilfeantrag erkannt werden.

Die Ämter speichern Name, Adresse, Angaben zu Wohnung und Angaben der Kfz-Zulassungsstellen und senden sie zu einer zentralen Datenstelle der Rentenversicherung nach Würzburg. Dort findet der Abgleich mit den anderen Stellen statt. Die Kosten des Verfahrens werden mit 300.000 Mark veranschlagt, pro Sozialamt etwa 650 Mark.

Mit dem Datenabgleich lassen sich Schwarzarbeit oder fingierte Mietverträge nicht entdecken. Als problematisch dürfte sich erweisen, daß die Ämter die Daten nach unterschiedlichen Kritierien in den Durchlauf schicken. Trotzdem, im Gesundheitsministerium scheint die Sache bereits als Erfolg verbucht: „Der Datenabgleich dürfte Leute, die den Mißbrauch im Sinn haben, abschrecken“, so der Sprecher.

Gerd Hoofe, Sozialdezernent im Landkreis Osnabrück, findet die Verordnung „erfreulich“. Er will zunächst die Daten für alle 12.000 Bezieher der „Hilfe zum Lebensunterhalt“ durch die Computer schicken. Dies sei „eine Probe aufs Exempel“, für die der Mehraufwand sich lohne.

Nach dem Sozialhilfegesetz können die Behörden bei begründetem Verdacht bereits heute die Daten zwischen Rentenversicherung, Arbeitsamt und Finanzamt und zwischen den verschiedenen Sozialämtern abgleichen. Für die Datenschützer scheint die neue Verordnung kein Problem. Hansjürgen Garstka, Datenschutzbeauftragter des Landes Berlin, erläutert, er und seine Kollegen würden den Datenabgleich nicht kritisieren, da er mit der Änderung des Bundessozialhilfegesetzes 1996 verabschiedet worden sei.

Gelassen reagiert der Paritätische Wohlfahrtsverband. „Seehofer wirft ein teures Netz aus, ohne zu wissen, ob sich ein Fisch darin verfängt“, sagt Verbandssprecher Ulrich Schneider. Andrea Fischer, Sozialexpertin der Grünen, sieht im Datenabgleich eine „Sonderbehandlung für Sozialhilfeempfänger, die rechtlich weitaus schlechter gestellt sind als andere“.

Der Stadt Köln scheint die Computerfahnung nicht ausreichend. Ganz diskret sollen dort demnächst „amtliche Bedarfsfeststeller“ an den Türen von 75.000 Sozialhilfeempfängern klingeln. Auf einem dreiseitigen Formular sollen sie notieren, wie viele Mäntel im Schrank hängen, ob die Gardinen noch in Schuß sind, wie viele Möbel in der Wohnung stehen. Der „Bedarfsfeststellungsdienst“ soll der Stadtkasse netto eine Million Mark einbringen.

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