: Kein Ausstieg unter dieser Nummer
Die rot-grüne Koalition und die „Rote Aktie“: Der Senat muß einen Atomausstieg mehr fürchten als die HEW ■ Von Achim Fischer
Um aus dem AKW Brunsbüttel auszusteigen, will sich Hamburgs künftige rot-grüne Regierung mit den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) „um eine Verständigung ... bemühen“. So steht es im Koalitionsvertrag. Doch den Anruf beim HEW-Vorstand zwecks Terminvereinbarung kann der Senat sich sparen: Der Ausstieg wäre mit Gewinneinbußen verbunden, die sich der Stromkonzern nicht leisten will – und die sich der Senat nicht leisten kann.
Bei ihren Bemühungen um Verständigung haben die grünen Regierenden, so geben auch GALier zu, künftig mit mindestens zwei Schwierigkeiten zu kämpfen. Zum einen sind ihre Einflußmöglichkeiten eng begrenzt. Ohne die SPD und vor allem den künftigen Bürgermeister und HEW-Aufsichtsrats-Vorsitzenden Ortwin Runde ist der Ausstieg nach wie vor nicht durchzusetzen (siehe Text rechts). Zum anderen kann der Senat die HEW nicht zum Ausstieg zwingen.
Die Strom-Manager dürfen aus aktienrechtlichen Gründen keine Entscheidungen fällen, die das Betriebsergebnis verschlechtern würde. Zudem müssen die HEW bei allzu offenem Druck aus dem Senat mit einem erheblichen Imageverlust rechnen. Im künftigen Strommarkt, bei dem sich Firmen ihre Energielieferanten europaweit aussuchen könnten, wäre der wirtschaftliche Schaden für die HEW kaum abzuschätzen. Das bestätigte ein Frankfurter Branchenanalyst der taz. Wenn ein politisches Gremium einem Unternehmen eine Strategie vorgeben wolle, dann habe dies „auf jeden Fall negative Auswirkungen“auf Ansehen und Börsenkurs des Unternehmens. „Rote Aktie“heißen solche Papiere unter Bankern.
Den SenatorInnen, egal ob rot oder grün, wäre damit nicht gedient. In zwei Jahren steht der Verkauf von mindestens 25 Prozent der HEW-Anteile an, um das städtische Haushaltsloch zu stopfen. Mit einer roten Aktie wird das nicht gelingen – oder nur zum Schleuderpreis.
Der Ausstieg, so hatte die GAL im August vorgerechnet, würde sich wirtschaftlich lohnen. Gaskraftwerke produzierten die Kilowattstunde Strom für sechs Pfennige, Atomstrom dagegen kostet nach Angaben von HEW-Chef Manfred Timm mindestens sieben Pfennige. Damit wäre die HEW zum gewinnsteigernden Ausstieg verpflichtet. Der Stromkonzern dagegen sprach von jährlichen Verlusten von mindestens 40 Millionen Mark, sollte er ein AKW zugunsten eines Gaskraftwerkes stillegen. Wie sie zu diesem Ergebnis kommen, begründeten die Herren der Kerne bislang nicht.
Der Frankfurter Branchenkenner lieferte gegenüber der taz eine mögliche Erklärung. Der Atomstrom kostet nach seiner Einschätzung lediglich drei bis vier Pfennige. Den höheren Preis, so der Analyst, hätte HEW-Chef Timm nur genannt, um bei Preisverhandlungen mit Großkunden nicht allzuweit nachgeben zu müssen.
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