Nordirland: IRA gespalten

■ Zwanzig führende Mitglieder ausgetreten

Dublin (taz) – Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat sich gespalten. Auf einer Armeekonvention, dem höchsten Gremium der Organisation, haben im nordwestirischen Gweedore rund zwanzig hochrangige Mitglieder ihren Austritt erklärt. Sie sind gegen die derzeit in Belfast stattfindenden Friedensverhandlungen – und vor allem gegen die Mitchell-Prinzipien, die die IRA-Partei Sinn Féin unterschreiben mußte, bevor sie zu den Verhandlungen zugelassen wurde. Die vom früheren US-Senator Mitchell aufgestellten Prinzipien besagen, daß die an den Verhandlungen beteiligten Parteien der Gewalt entsagen und für eine Ausmusterung paramilitärischer Waffen sorgen müßten. Beides verstoße gegen die IRA-Verfassung, erklärte die Exekutive der Organisation, doch der Armeerat erteilte eine Ausnahmegenehmigung, damit Sinn Féin am runden Tisch teilnehmen konnte.

Diese Strategie stieß von Anfang an auf erheblichen Widerstand, so daß die IRA-Führung schließlich die Konvention in Gweedore einberief. Dort stimmten 60 Prozent für die Entscheidung des Armeerates – und das führte zur Spaltung. Zu den Dissidenten gehört der frühere Stabschef der IRA, der unter anderem für den Bombenanschlag auf die Londoner Downing Street 1991 ebenso verantwortlich sein soll wie für die Attacke auf die Gedenkfeier für die Weltkriegstoten in Enniskillen, bei der vor genau zehn Jahren elf Menschen starben.

Auch der für das Waffenarsenal zuständige Quartiermeister hat der IRA den Rücken gekehrt. Die IRA-Führung hatte ihn und seine Freundin, eine Verwandte eines im Hungerstreik 1981 gestorbenen IRA-Mannes, zuvor wegen beider Einstellung aus der zwölfköpfigen Exekutive ausgeschlossen. Keiner der Dissidenten soll aber der Continuity IRA beigetreten sein, die sich im vorigen Jahr von der IRA abgespalten hat. Politiker in Großbritannien und Irland sehen daher keine unmittelbare Gefahr für den gut drei Monate alten IRA-Waffenstillstand.

Auch bei Sinn Féin gibt es Unruhe um die Mitchell-Prinzipien. Vorgestern abend sind bei einer Sitzung in der irischen Grenzstadt Dundalk mindestens ein Dutzend hochrangige Mitglieder zurückgetreten. Sie warfen der Parteiführung vor, die Basis zu ignorieren. Zwei Drittel der Mitglieder seien angeblich gegen die Friedensgespräche. Ein IRA-Vertreter widersprach jedoch. Man könne mit den Rücktritten bei Sinn Féin und IRA leben, großen Einfluß auf den Friedensprozeß würden sie nicht haben. Ralf Sotscheck

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