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Selektiver Boykott

■ Die Anti-Siemens-Kampagne diskutiert über die beste Methode des Handelns

Berlin (taz) – Siemens, der deutsche Weltkonzern, ist stolzer Erbauer und Nachrüster von 19 deutschen Atomkraftwerken. Weil die Firma auf der ganzen Welt den Ausbau der Atomenergie puscht, organisieren deutsche Anti-Atom- Initiativen seit vier Jahren eine Siemens-Kampagne. Im Berliner Haus der Demokratie trafen sich am Wochenende die Vertreter dieser Initiativen, um ein wenig über den Boykott nachzudenken.

Die Ausgangslage stellte sich erst einmal positiv dar. Eine noch unveröffentlichte Emnid-Umfrage unter 1.500 Leuten förderte ein überraschend kritisches Konsumentenverhalten zutage. Bei einem Drittel der Verbraucher haben sich demnach im Bewußtsein „Sozialverträglichkeit“ und „politisch korrekter Konsum“ als feste Größen etabliert.

Auch die Hauptforderungen des Anti-Siemens-Koordinationsbüros sind klar: kein Neubau von Reaktoren, keine Nachrüstung alter Anlagen. Und die Schaffung von sozial gerechten und umweltverträglichen Arbeitsplätzen, wie sie auch von Gewerkschaftern innerhalb des Konzerns längst gefordert werden. Wie aber nun einen Boykott organisieren, der den Konzern zum Handeln bewegt?

Ulrich Wohland, Mitarbeiter der Werkstatt für gewaltfreie Aktion in Heidelberg, sprach sich für ein effektives und programmatisch orientiertes Boykottmanagement aus. Voraussetzung hierfür ist die Unterscheidung einer organisierten und geplanten Boykottkampagne von einer spontan, aber weitgehend ungesteuert eintretenden Boykottbewegung.

Entgegen der im öffentlichen Bewußtsein noch immer vorherrschenden Vorstellung vom Boykott als „Totalboykott“ sollte eine professionelle Kampagne mit einem „Selektivboykott“ eröffnet werden: Aus der breiten Produktpalette eines Unternehmens (etwa Siemens) werden gezielt einige wenige Produkte (zum Beispiel die Glühbirnen der Siemens-Tochter Osram) ausgewählt. Diese werden an bestimmten Orten massiv boykottiert. Die Phasen der Konfrontation sollen eher kurz, aber wirkungsvoll sein. Die Option auf eine schrittweise Ausweitung der Kampagne auf andere Regionen und Produkte bleibt damit ausdrücklich offen. So entsteht eine überschaubare Aktion mit meßbaren Boykottergebnissen und politisch mündigen Konsumenten.

Im vorweihnachtlichen Geschäft werden etwa in dreißig deutschen Städten Boykottaktionen gegen Siemens durchgeführt. Eine der Ideen vom Wochenende: Beim Weihnachtseinkauf nach einer Kaufentscheidung gegen Siemens- Produkte die Quittung kopieren. Die Kopie dann mit einem kleinen Brief an die Pressestelle von Siemens in München schicken: „Sorry, but I couldn't buy you. Merry X-mas und viel Erfolg für die ökologische Innovation im nächsten Jahr!“ Johannes Schneider

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