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CDU zeigt sich in Berlin reformunfähig

■ Diepgen ging bei Abstimmung über Gebietsreform knapp an der Niederlage vorbei. Da nützte auch rhetorische Hilfe aus Bonn nichts

Berlin (taz) – Fast eineinhalb Stunden lang hatte Wolfgang Schäuble am Samstag auf seine Berliner CDU-Parteifreunde eingeredet und an ihre Reformfähigkeit appelliert. Doch die zeigten dem Bonner, wo die Grenzen der Reformfreude in der Union liegen.

„Wir dürfen nicht nur Besitzstände bewahren, sondern müssen uns den Herausforderungen der Zukunft stellen“, hatte Schäuble den Delegierten des Landesparteitags nahegelegt, als sie über die umstrittene Bezirksgebietsreform beschließen sollten. Am Ende stimmte nur eine knappe Mehrheit für den Leitantrag der CDU-Führung, die Bezirke der Hauptstadt um „mindestens ein Drittel“ zu reduzieren. Mit diesem Antrag wurde auch die zeitliche Festlegung der Reform gekippt. Diepgen hatte mit dem Koalitionspartner SPD vereinbart, bereits 1999 die Anzahl der Bezirke auf zwölf zu verringern. Die CDU-Basis verweigerte ihrer Führung die Gefolgschaft.

Diepgen steht wie das gesamte Führungsteam der CDU für die Reduzierung der Hauptstadtverwaltung von 23 auf zwölf Bezirke. Einsparungen von jährlich etwa 200 Millionen Mark verspricht sich die CDU davon für die leere Landeskasse – und eine Profilierung als Reformpartei. Senat wie Koalitionsausschuß hatten sich längst auf das sogenannte Modell „12/99“ geeinigt. Der CDU-Landesvorstand mußte jedoch auf Druck der Basis einen Leitantrag vorlegen, der nur unkonkret eine Reduzierung um mindestens ein Drittel ohne Angaben einer zeitlichen Festlegung vorlegen. Und selbst dieser abgeschwächte Antrag mußte in einer Kampfabstimmung durchgebracht werden.

Geschlossen trat die CDU-Führung an, um die Delegierten auf den Leitantrag einzuschwören. Landeschef Diepgen gab dabei die schwächste Figur ab. Mit Verweis auf die abstiegsgefährdete Hertha BSC sagte er: „Das ist bei einer Fußballmannschaft nicht anders, wer sich nicht bewegt, der steigt ab.“ Und wiederum ohne klare Worte zu wagen, zitierte er den Philosophen Baltasar Gracian: „Was du als notwendig erkannt hast, sollst du sofort tun.“

Deutlicher wurde der als innenpolitischer Hardliner bei Teilen der CDU-Basis beliebte Innensenator Jörg Schönbohm. In seiner Rede gab er alles, um die bezirksverhafteten ChristdemokratInnen auf seine Seite zu ziehen. „An der Bezirksgebietsreform entscheidet sich die Reformfähigkeit der Union“, hatte er seine Rede überschrieben. Er bezeichnete die Haltung der Reformverweigerer als eine „Desavouierung des Senats und des Regierenden Bürgermeisters“, die „zu einem Glaubwürdigkeitsverlust der CDU und des Senats“ führen würde. Aber auch Schönbohms Anstrengungen reichten nicht. Ausgerechnet Bezirksverbände, die dem Innensenator in seiner rigorosen Ausländerpolitik zur Seite stehen, forderten, die Reduzierung „um mindestens ein Drittel“ fallenzulassen.

Diepgen ist mit der Entscheidung nur knapp an einer Niederlage vorbeigeschliddert. Auf dem nächsten Parteitag, im Februar, wird über den Landesvorsitzenden abgestimmt. Diepgens GegnerInnen haben ihre Munition gesammelt. Barbara Junge

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