: Die „Viererbande“ bekommt kalte Füße
Vier deutsche Professoren, bekannt als die wichtigsten Maastricht-Gegner, bereiten eine Verfassungsklage gegen den Euro vor. Doch noch sind Fragen offen: Wann die Klage erheben? Und ist sie überhaupt zulässig? ■ Von Christian Rath
Freiburg (taz) – Sie nennen sich selbstironisch „Viererbande“: Rechtsprofessor Karl Albrecht Schachtschneider (Erlangen), Ökonom Joachim Starbatty (Tübingen) sowie die Währungsexperten Wilhelm Hankel (Frankfurt) und Wilhelm Nölling (Hamburg). Als die wichtigsten Maastricht- Kläger werden die vier deutschen Professoren derzeit gehandelt. Allerdings: Eine Klageschrift haben sie beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe noch nicht eingereicht.
Der Jurist Schachtschneider hat bereits Erfahrungen mit dem Bundesverfassungsgericht gesammelt. 1993 hat er die Klage des damaligen FDP-Mannes Manfred Brunner vertreten. Diese führte zum sogenannten „Maastricht-Urteil“, in dem das BVerfG zwar den neuen EU-Vertrag akzeptierte, aber harte Maßstäbe für die geplante Währungsunion aufstellte. Diese müsse eine echte „Stabilitätsgemeinschaft“ werden.
Gemeinsam mit Brunner und Starbatty gründete Schachtschneider den „Bund freier Bürger“ (BfG), eine rechtsgerichtete Partei, die auch für Honoratioren wählbar sein sollte. Schon 1994 stieg er wieder aus: „Ich wollte wissenschaftliche Politik in Parteiform machen. Aber Brunner hat hinter unserem Rücken immer wieder Jörg Haider ins Spiel gebracht.“ Jetzt hat Schachtschneider, der auch schon Mitglied der SPD und der CDU war, die Nase voll von Parteipolitik. Er will sich ganz auf die Politik und auf konkrete „Projekte“ konzentrieren. Sein wichtigstes Projekt ist derzeit die Verfassungsklage gegen den Euro. Er schreibt den juristischen Teil, seine Mitstreiter sind für die ökonomische Argumentation zuständig. Am schwierigsten ist derzeit die Frage, wann die Klage eingelegt werden soll. Ursprünglich wollten die Professoren bis Mai nächsten Jahres warten. Dann nämlich bestimmen die EU-Regierungschefs endgültig die Teilnehmerliste der Währungsunion.
Jetzt aber haben die Professoren kalte Füße bekommen und Angst, daß auf EU-Ebene vollendete Fakten geschaffen werden, während sie zwar als die „Euro- Kläger im Wartestand“ von Veranstaltung zu Veranstaltung eilen, letztlich aber untätig bleiben. Via Spiegel haben die vier deshalb angekündigt, nun doch schon früher zu klagen. Was nicht im Spiegel stand: Die Klage soll nicht sofort, sondern erst nach dem Jahreswechsel eingelegt werden. Schachtschneider interpretiert den EU-Vertrag nämlich so, daß die Regierungen bis zum Jahresende noch von sich aus die Währungsunion verschieben können. Und deshalb sei eine vorherige Klage „unzulässig“. Noch ist es fraglich, ob sich das Gericht überhaupt mit Bürgerklagen gegen den Euro befassen darf, schon die drohende Grundrechtsverletzung ist nur schwer zu finden.
Am naheliegendsten scheint noch, sich auf eine drohende Verletzung des Eigentums zu berufen. Denn falls die Einführung der Euro- Währung wie befürchtet die Inflation erhöht, dann würden Sparguthaben und Rentenansprüche etwas an Wert verlieren. Allerdings hat das Verfassungsgericht bereits 1969 entschieden, daß das Grundrecht auf Eigentum keine „staatliche Wertgarantie des Geldes“ beinhalte. Und was für die nationale Inflation gilt, dürfte für eine mögliche europäische Geldentwertung wohl nicht anders zu beurteilen sein.
Fraglich ist auch, wogegen sich im Euro-Streit eine Verfassungsbeschwerde überhaupt richten soll. Beim Konflikt um den Maastrichter Vertrag lag wenigstens ein deutsches Zustimmungsgesetz als Prüfungsgegenstand vor. Vor der Einführung des Euro ist jedoch kein deutsches Gesetz und auch keine Regierungsentscheidung mehr erforderlich – das Ja zur neuen Währung war bereits im Maastrichter Vertrag enthalten. Auf EU-Ebene wird 1998 lediglich festgestellt, welche Staaten fit sind für die Währungsunion. Und für diese Staaten tritt die neue Währung laut Vertrag 1999 (plus Übergangsphase) in Kraft.
Zwar haben sich Bundestag und Bundesrat noch ein letztes Wort zum Euro vorbehalten. Dort wird es aber nur um die Frage gehen, welche Staaten nach deutscher Ansicht beim Euro mit dabeisein sollten und welche nicht. Diese Parlamentsentscheidung kann mit der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffen
werden, weil
sie keine
unmittel-
baren
Auswir-
kungen für die Bürger hat. In dieser Frage wird in Brüssel nämlich mit qualifizierter Mehrheit abgestimmt, so daß die Bundesregierung durchaus überstimmt werden kann.
Mit seiner Maastricht-Klage hatte Schachtschneider Erfolg. Entgegen allen Erwartungen wurde sie als zulässig erklärt. „Der Rechtsschutz war schon immer eine Frage des guten Willens der Gerichte“, meint Schachtschneider. Man könnte auch sagen: der politischen Interessen der Richter.
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