: Lernen, was Leiden ist
Mimi Leders „The Peacemaker“, ein Actionfilm über einen bosnischen Terroristen, ist die erste Produktion von Steven Spielbergs Filmstudio „Dream Works“ ■ Von Anja Seeliger
Als Steven Spielberg, Jeffrey Katzenberg und David Geffen vor drei Jahren eine gemeinsame Pressekonferenz ankündigten, mußten sie den Ballsaal des Peninsula Hotels in Beverly Hills mieten, um alle Journalisten unterzubringen. Geffen, den der Verkauf seines Labels Geffen Records zum Milliardär machte, ist der erfolgreichste Musikproduzent aller Zeiten. Katzenberg bescherte Disney in seiner Zeit als Chef der Trickfilmstudios sagenhafte Profite. Und Spielberg — nun, es genügt wohl zu sagen, daß er jüngst, mit 49 Jahren, den Academy Award für sein Lebenswerk erhielt. Was die drei Goldjungen im Peninsula zu sagen hatten, ließ die Unterhaltungsindustrie erschaudern: „Wir gründen ein Filmstudio, Dream Works soll es heißen.“ Sogar der Name erinnert an die Magie der Hollywoodstudios in den glorreichen alten Zeiten.
Dream Works SKG umfaßte von Anfang an auch Abteilungen wie Musik, Fernsehen, Animation und Computerspiele. Aber das Studio war der spannendste Teil. Seit fast sechzig Jahren hatte es keine derartige Neugründung mehr gegegeben: Newcomer wie Miramax und Tri Star sind Verleih- und Produktionsfirmen ohne eigenes Studiogelände.
Drei Jahre später hat Dream Works etwa eine Milliarde Dollar ausgegeben, schätzt die Los Angeles Times. Von einem Studio ist noch nichts zu sehen. Und doch — jetzt endlich tut sich was. Bis zum Frühjahr 1998 sollen die ersten sechs Filme starten: Zwei von Spielberg, einer von Neil Jordan. Die anderen drei (hallo, hier kommt die Zukunft) sind Erstlingswerke.
Den Anfang macht „The Peacemaker“, ein Actionfilm über einen bosnischen Terroristen, der eine Atombombe in die USA schmuggelt. Der Regisseur ist eine Frau, die noch nie einen Kinofilm gedreht hat: Mimi Leder. Sie hat sich vor allem einen Namen gemacht mit ihren Episoden zu der Fernsehserie „ER“. „Spielberg rief mich an und sagte: ,Ich habe da einen großen Actionfilm, der in vier Ländern spielt, und ich glaube, du bist eine große Actionregisseurin‘“, erinnert sich Leder in Vanity Fair. „Was meinst du mit Actionregisseurin? Ich filme Dramen!“ Spielberg war das egal: „Ihre Kamera hat Flügel“, begründete er seine Entscheidung. Das ist wahr. Leider rettet es den Film nicht.
„The Peacemaker“ ist ein erschütterndes Beispiel dafür, daß Wissen zu reinem Blödsinn führen kann. In der ehemaligen Sowjetunion inszeniert ein russischer General ein Zugunglück, um unauffällig eine Atombombe stehlen zu können. Diese verkauft er an einen bosnischen Terroristen, der, völlig verstört von dem Mord an seiner Familie, die Bombe in den USA zünden will, „damit die Amerikaner lernen, was Leiden ist, und sich nicht mehr in Dinge einmischen, die sie nichts angehen.“
Das Drehbuch basiert auf einer preisgekrönten Reportage über den Schmuggel von nuklearem Material in der Sowjetunion. Gedreht wurde an Originalschauplätzen, und selbst die Rollen sind — fast — authentisch besetzt: Ein Russe spielt den russischen General, ein Rumäne den Bosnier usw. Aber die Geschichte hat einen kruden Unterton, der indirekt die Amerikaner für den Krieg in Bosnien verantwortlich macht: weil sie sich eingemischt haben. Man könnte glauben, die Unprofor- Truppen hätten als Heckenschützen Sarajevo terrorisiert.
Da hilft es auch nichts, daß Leder diesen Unsinn mit mehr Eleganz inszeniert hat als in Actionfilmen sonst üblich. In den USA ist der Film gefloppt. Aber Spielberg hält an seiner Entdeckung fest. Eigentlich wollte Mimi Leder als nächstes einen Film über ihre Eltern drehen, die Filmregisseure waren. Statt dessen hat Spielberg ihr wieder einen Big-Budget-Film anvertraut, den er ursprünglich selbst drehen wollte: „Impact“ – ein Komet bedroht die Erde. Traum oder Drama?
„The Peacemaker“. Regie: Mimi Leder. Mit George Clooney, Nicole Kidman u.a., USA 1997
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen