■ Kommentar: Schon wieder
Schon wieder eine Synagoge, 50 Jahre danach.
Schon wieder Lübeck, schon wieder dieselbe Synagoge, ein Jahr danach.
Schon wieder die gleichen Täter? Schon wieder die jungen Unbelehrbaren?
Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Exakt zum 8. Mai setzen die ein schauerliches Fanal, die als Niederlage empfinden, was eine Befreiung war.
Der Ort ist ebenfalls kein Zufall. Erst vor einem Monat sind die verurteilt worden, die am 25. März vorigen Jahres dieselbe Synagoge angezündet hatten. Verurteilt zu Haftstrafen, die eine – oft beschworene – „abschreckende Wirkung“ haben sollten. Das Gegenteil ist eingetreten.
Schon wieder drohen die mit der „vollen Härte des Gesetzes“, die es nicht besser wissen – oder wissen wollen. Gerichtet wird immer nur über Symptome, nicht über Ursachen. Gerichtet wird hinterher, wenn es zu spät ist.
Zu spät. Zu spät wofür? Für Aufklärung? Für Information? Für das Ziehen von Lehren aus der Vergangenheit? Für die Vermittlung von Toleranz und Achtung vor dem anderen?
Zu spät für eine glaubwürdigen Ächtung von Rassismus und Faschismus? Zu spät für einen gesellschaftlichen Konsens gegen die Biedermänner, die hinter den Brandstiftern stehen?
Zu spät für eine Bildungs-, Jugend- und Sozialpolitik, die verhindert, daß diese jenen in die Falle gehen?
Resignation, Erschütterung, Wut, Haß: verständlich, an Tagen wie diesem.
Schwülstige Reden und wohlfeile Ratschläge: überflüssig und verzichtbar, heute wie vor einem Jahr.
Die Hoffnung auf wirksame Ideen, wie das nächste „Schon wieder“ zu verhindern ist: Sie ist notwendiger denn je, an Tagen wie diesem.
Sven-Michael Veit
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