piwik no script img

Ausweisung vom Arbeitsamt

UKE-Angestellte soll Sozialhilfe beziehen. Arbeitserlaubnisse für bosnische Flüchtlinge werden nicht verlängert. Folge: Ausweisung  ■ Von Silke Mertins

Aus dem Vorsatz des neuen Ersten Bürgermeisters Ortwin Runde (SPD), noch viel mehr zu sparen als bisher, wird wohl nichts werden. Neue Sozialhilfekosten in Millionenhöhe kommen auf die Hansestadt zu. Denn das Arbeitsamt verlängert seit drei Wochen keine Arbeitserlaubnisse für bosnische Flüchtlinge mehr. 2000 bis 3000 Hamburger Beschäftigte bosnischer Herkunft müssen daher zwangsweise Sozialhilfe beziehen, statt den Unterhalt für sich und ihre Familien selbständig verdienen zu können, bestätigte Klaus Koch vom Hamburger Arbeitsamt gestern der taz.

Aufgrund einer Weisung der Bundesanstalt für Arbeit darf eine „arbeitsmarktunabhängige Arbeitserlaubnis ab sofort nicht mehr erteilt werden“, heißt es in einem Schreiben. „Ohne Ankündigung ist das eine ziemliche Härte“, so Koch. Dennoch sei man „angenehm überrascht, wie gut die Leute das wegstecken“.

So sieht die UKE-Angestellte Andelka Lastro allerdings überhaupt nicht aus. Fassungslos hält sie das lapidare Ablehnungsschreiben in den Händen. „Ich kann nicht verstehen, daß andere mehr Recht haben, über meine Zukunft und die meiner Kinder zu entscheiden als ich selbst“, sagt sie. Vor fünf Jahren verschlug es die Familie aus der Nähe von Sarajewo nach Hamburg. Mühsam lernte die Wirtschaftsfachfrau Andelka Lastro Deutsch und arbeitete sich zuerst im Krankenhaus St. Georg und dann im UKE zu einer führenden Position hoch. „Ich wollte nicht vom Staat abhängig sein“, sagt die 39jährige. Ihre beiden Kinder sollten „ein normales Leben führen können“.

Doch ohne eine Arbeitserlaubnis wird das kaum mehr möglich sein. Sozialhilfebezug ist ein Ausweisungsgrund. Einen „hinterhältig-kotzigen Akt“nennt Lastros Anwalt Mahmut Erdem den Entzug der Existenzgrundlage. Wurde der UKE-Angestellten bisher nach „Härtegesichtspunkten“das Arbeiten erlaubt, soll das nun für Bosnier entfallen. Erst wenn kein Deutscher, kein EU-Ausländer und kein anderer Arbeitssuchender mit festem Aufenthaltsstatus die Stelle will, kommen Flüchtlinge in Frage. Faktisch kommt das einem Arbeitsverbot gleich.

Das UKE hat bereits in einem Brief vom 11. August bestätigt, daß Andelka Lastro nicht zu ersetzen sei. Über ihre „allgemeinen Tätigkeiten“hinaus wird sie auch als Sprachmittlerin eingesetzt. „Eine Alternative für Frau Lastro ist z.Z. in unserer Einrichtung nicht vorhanden und auch in absehbarer Zeit nicht sichtbar.“Ein Arbeitsverbot würde sich „negativ auf die Patientenbehandlung und Betreuung“auswirken und „zwangsläufig zu Engpässen“führen.

Bleibt der Antrag auf „vorläufigen Rechtsschutz“beim Sozialgericht erfolglos, muß das UKE dem Arbeitsamt die Stelle angeben. Würde dort nach länglicher Prüfung niemand gefunden, könnte Andelka Lastro die Erlaubnis bekommen, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Falls sie bis dahin nicht schon abgeschoben wurde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen