: Theorien
Ich sag ja immer: In jeden Deutschen ist ein Scherlock Holms versteckt, und der will kombiniern. Und du glaubst gar nicht, was bei mir an' Kiosk läuft, seit Lady Di tot ist! Sogar Berber Harald, der ein' sonst immer vollabert, daß er in Therapie will, weil er unter Angst- oder sogar Panikattacken leidet, weil er glaubt, sie kriegen ihn von' Sozialamt aus ran, daß er gemeinnützige Arbeit verrichten soll, redet nu über nix anneres mehr als über seine neue krimmenalistische Theorie: „Im übrigen bin ich der Meinung der Zeitung „The People“, daß die Prinzessin ermordet worden ist“, wiederholt er wie ne tibetanische Gebetsmühle, „und zwar im Auftrag britischer Industrieller, die eine weitere Unterwanderung der britischen Wirtschaft durch die Araber befürchteten, wenn die Di den Dodi geheiratet hätte.“„Sie scheinen sehr viel von der Wirtschaft und von Managern zu verstehen“, lächelt Jungunternehmer Aschler ironisch dagegen an, „aber unsereins macht sich die Hände mit derartigen Aktionen nicht schmutzig. Außerdem gibt es entscheidende neue Beweise, daß das Mordkomplott von der italienischen und von der russischen Mafia gemeinsam ausgeheckt worden ist.“„Was sollen denn das für Beweise sein?“zieht nu Revierförster Noske seine Augenbrauen inne Höhe. Und Aschler: „Ein Fiat Panda raste mit 240 km/h aus dem Tunnel, kurz nach dem explosionsartigen Knall, verfolgt von einem Mercedes Diesel. Und jeder weiß doch, daß die russischen Mafiosi die Marke mit dem Stern bevorzugen.“„Und was für ein Motiv hätten die Mafiosi?“will Revierförster Noske wissen. „Der Chef des allmächtigen russischen Erdölkonzerns, der ebenso ein Cousin Boris Jelzins und als Kommandeur des Geheimdienstes ebenfalls oberster Mafia-Boß ist, hat der Prinzessin Diana zu ihrem letzten Geburtstag eine echt antike 3 Meter hohe italienische Cäsar-Büste verehrt, die ganz und gar mit echtem Kaviar gefüllt war. Die Prinzessin soll sich über dieses Geschenk halbtot gelacht haben, dann hat sie es der Organisation „Brot für die Welt“gespendet. So eine Beleidigung kann weder ein russischer noch ein italienischer Mafioso hinnehmen.“„Neenee“, schüttelt nu Sonnenbank-Heinzi den Kopf, „das ist alles viel zu kompliziert. Für mich ist es ganz klar die Waffenindustrie, die dahintersteckt. Seitdem nämlich Diana ihre Diffamierungskampagne gegen die Landminen angefangen hat, hat dieser Industriezweig einen schockierenden geschäftlichen Einbruch zu verzeichnen. Da haben die Minenhersteller dann dem Chauffeur, diesem Herrn Paul, einen Extrakt aus Tollwut-Erregern in den Cognac gekippt. Und er hat dann auch entsprechend auf die Tube gedrückt.“Wie Aschler, Noske und Heinzi sich noch ihre Argumente umme Ohrn haun, kommt tatsächlich Junglürikerin Nele Hütlein angewatschelt in ihre Birkenstock-Treter. Und sie: „Haben Sie nicht den ,Spiegel' gelesen, meine Herren? Der ist, wie immer, auf dem neuesten Stand...“„Ach“, seufzt nu Studienrat Arnold, „wieder mal die UFO-Theorie...“„Nein“, antwortet Frau Hütlein, „das mit den UFOs steht im ,Stern', im ,Spiegel' steht, daß...“„Wer war es denn nun nach ,Spiegel'?“legt Studienrat Arnold seinen Kopf schief. „Ganz eindeutig Herr Waigel, der hat nämlich durch Herrn Mauss den Motor des Unglückswagens präparieren lassen... Irgendwie hat es mit der Einführung des Euro zu tun...“Wie gesagt, die diskutiern immer noch, woraus man erkenn' kann, daß Diana nicht bloß de Prinzessin vonne Herzen, sondern auch de Prinzessin vonne kombinierende Gehirne ist.
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