: Angst vor dem, „was man so hört“
SchülerInnen gegen Jugendgewalt: Mehr Polizei muß her und schärfere Gesetze ■ Von Ralf Streck
„Sie haben mir eine Bierflasche über den Kopf geschüttet und mir eine runtergehauen.“Locker erzählt der 15jährige Alexander Kiele von seinem Besuch in einem Hamburger Haus der Jugend. Erst hätten ihn „die fünf Jungs nur angemacht“, dann aber, draußen, „haben sie mir aufgelauert“. Insgesamt, sagt Alexander, sei alles noch glimpflich verlaufen.
Der 15jährige ist einer von mehreren hundert Klassen-, Stufen- und Schulsprechern, die sich gestern artig in die roten Kinosessel des Cinemaxx drückten. Zur viertägigen Veranstaltung „Tu' was – Schülerinnen + Schüler gegen Gewalt“hatte das Großkino gemeinsam mit Schulbehörde und Polizei in seine Räumlichkeiten geladen. Gestern versammelten sich die SchülerInnen zur Abschlußdiskussion. Die Arme in die Höhe gestreckt, warten die zwölf- bis 16jährigen geduldig darauf, die Herren und eine Dame auf dem Podium – vom Amt für Jugend bis zum Weißen Ring – mit ihrer Meinung über Jugendgewalt zu konfrontieren.
Die ist auch für Elsbeth Weber aus Bergedorf „ein großes Problem“. An ihrer Schule, schildert die 13jährige am Rande der Diskussion, gebe es drei Mädchen, die ihre MitschülerInnen bedrohen. Eine sei besonders schlimm, reden bringe da gar nichts: „Die hört einfach nicht zu, die haut gleich.“Auch ihre Schulsprecherin Tanja Blohns ist ratlos: „Was soll man da schon machen“, einmischen dürften sie sich jedenfalls nicht. „Der Schulleiter hat's verboten.“
Auch die Polizei bekommt ihr Fett weg. „Muß denn immer erst was passieren, bevor Ihr kommt?“fragt ein Schüler aus Langenhorn. „Gewalt muß härter bestraft werden“, fordert eine Schülerin. Gesetzesverschärfungen, mehr Präsenz und Kontrollen der Polizei – die Jugendlichen sind sich weitgehend einig. Gleichzeitig fühlen sie sich von der Polizei nicht ernst genommen. „Die sagen immer ja, ja, und passieren tut nichts“, macht ein 15jähriger seinem Unmut Luft. Zwar können die wenigsten von eigenen Gewalterlebnissen berichten wie Alexander, aber „das, was man so hört“, macht vielen Angst.
Über die Ursachen von Gewalt wurde gestern kaum gesprochen. „Wie lösen denn unsere Vorbilder aus der Politik die Probleme?“fragt ein Jugendlicher. Und schiebt die Antwort gleich nach: „Mit Gewalt, mit Bomben und Ähnlichem“. Ein anderer stellt fest: „Wenn jemand zu Hause Dresche kriegt, dann gibt er die auf der Straße weiter.“
Richtig aufgreifen mochte diese Beiträge jedoch niemand. Auch nicht die Antwort, die Alexander für seine Situation gefunden hat. „Ich habe mich nach dem Vorfall an die Leitung des Jugendhauses gewandt.“Die habe erst mit ihm, dann mit den Tätern gesprochen, und zum Schluß haben alle miteinander geredet: „Heute sind wir Freunde.“Wenn „die einfach aus dem Jugendhaus rausgeflogen wären, hätte ich wahrscheinlich öfter eins auf den Kopf bekommen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen