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Alles fürs Fahrrad am Bahnhof

■ Abhilfe gegen die häßlichen „Fahrradleichen“soll eine Radstation schaffen / Bremer Institut ÖkoStadt legt Gutachten vor / Umgestaltung des Bahnhofvorplatzes politisch umstritten

Die Erfindung des Rades war eine epochale menschliche Errungenschaft. Die Verkettung zweier Räder zu einem Fahrinstrument schafft Ärger. So wird in bezug auf das Fahrrad die Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes sehr kontrovers diskutiert. Freie Zufahrt für alle Autos zum Bremer Hauptbahnhof, fordern die Autologen. Gebt dem Fahrrad eine Chance, betteln die Pedaleure. Unter welchen Vorraussetzungen das Fahrrad am Bahnhof überhaupt eine Chance hätte, dazu legte das Bremer Planungsinstitut ÖkoStadt jetzt ein Gutachten vor.

Am Bahnhof gammeln Fahrradleichen, es herrscht reger Radklau, das wilde Parken animiert Demoleure und sieht nicht gut aus. Es muß etwas geschehen, darüber sind sich alle einig. Eine Fahrradstation könnte Abhilfe schaffen. Wie die aussehen könnte, dazu macht ÖkoStadt Vorschläge.

Fahrradstationen sind eine Erfindung der Niederländer. Es gibt 80 Stationen in Holland. 40 bringen Geld, 40 sind Zuschußbetriebe. In Holland, so sagt ein Sprichwort, ist das Fahrrad die natürliche Verlängerung des Hinterns. Als Konsequenz aus der Analyse niederländischer Stationen und den Notwendigkeiten in Bremen stellt ÖkoStadt den Bezugsrahmen für ein Bremer Radhaus auf: Ansprechende Außenwirkung, direkt an Bahn und Nahverkehrsmittel angebunden, bequem zu erreichen, ausreichende Kapazität, umfangreiche Serviceeinrichtungen, offensive Vermarktung im Rahmen der Stadtwerbung.

„Wird ein gutes Produkt, schlecht verkauft“, so erklärte in anderem Zusammenhang Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU), „so droht es selbst schlecht zu werden.“Deswegen muß eine Fahrradstation am Bahnhof „schön“sein, fordert das ÖkoStadt-Gutachten. Dies schließt eine reine Fahrradgarage in einer dunklen Pißecke aus. Bislang ist in der Bahnhofsplanung nur eine Fahrradgarage in der ehemaligen Expressabfertigungshalle der Deutschen Bahn, direkt unter dem Gleisbogen hinter dem Gebäude der Spardabank vorgesehen. Aber die Fahrradexperten wollen direkt an den Bahnhofsvorplatz. Ein neues Gebäude soll her, ein Servicehaus „Rund ums Fahrrad“, sonst, so das Gutachten, würde die Einrichtung von der Bevölkerung nicht angenommen und ökonomisch eine Pleite.

Konkret sieht der Vorschlag von Ökostadt so aus: Ein Parkhaus für 1.000 Lang- und Kurzzeitparkplätze soll an einen Fahrradladen angeschlossen werden. Fahrradwerkstatt, Fahrradverleih, Fahrradkurierdienst, Touristeninformation etc. runden das Angebot ab. Für die Parkplätze müßten Gebühren entrichtet werden. Dazu, so Hinnerk Brockmann von ÖkoStadt, wären die BremerInnen nach einer Umfrage bereit. Auch weiterhin werden kostenlose Radstellplätze in den Randbereichen des umgestalteten Platzes angeboten. Sogar allgemeine Büroflächen sollten laut ÖkoStadt in einer mehrgeschossigen Station angeboten werden. Dies käme der Polizei entgegen, die für ihre Wache am Bahnhof eine neue Unterkunft sucht.

Alles in allem veranschlagt ÖkoStadt für einen umfangreichen Servicebaukasten für Fahrräder am Bahnhof sieben Millionen Mark Investitionskosten. Bei der Wahl, ob die Station als bezuschußter sozialer Betrieb oder gewerblich geführt werden soll, tendiert ÖkoStadt eher zu einem gewerblichen Betrieb. In fünf Jahren, so ÖkoStadt, könnte eine Station kostendeckend arbeiten.

Peter Riemäcker, Sachbearbeiter bei BREPARK, hält die Kostenkalkulation für zu niedrig angesetzt. Seiner Meinung nach sind die Ideen von ÖkoStadt aber eine solide Diskussionsgrundlage. Auch Riemäcker spricht sich für eine erweiterte Servicestation aus. Die BREPARK bewirtschaftet schon jetzt eine Fahrradgarage an der Nordseite des Bahnhofs.

Karin Krusche von den Grünen ist von der Idee einer Fahrradstation sehr angetan: „Wir sollten klotzen und klar machen, daß Bremen eine fahrradfreundliche Stadt sein will.“In einem Gespräch mit dem ADFC haben sich die Mitglieder der SPD in der Baudeputation zwar für ein Fahrradparkhaus mit Fahrradladen ausgesprochen, aber sie haben sich nicht festgelegt, wo das Gebäude genau erstellt werden soll. Hier ist der politische Zündstoff, der über Wohl oder Wehe einer Fahrradstation entscheidet. Denn Ronald-Mike Neumeyer, Fraktionsvorsitzender der CDU stellt klar: „Zwischen der alten Polizeiwache und der Sparda-Bank, direkt am ZOB wollen wir Kurzzeitparkplätze für Autos.“Dieser Platz ist aber derzeit als letzer, sinnvoller Kompromißort von den Fahrradexperten für eine Radstation ausgeguckt worden.

Thomas Schumacher

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