: „Ich bin eine Videoknipserin“
Künstlerinnen in Berlin (X): Die medienbewußt arbeitende Simone Kornfeld pickt sich aus der Bilderflut der Geschichte ein paar Momente heraus, sortiert sie um, fügt etwas Ironie hinzu und sagt: „Guck, das war's!“ ■ Von Cornelia Gerner
Ihre letzte Ausstellung hieß „Klicks“ und war im Juli in der Fotogalerie des Deutschen Historischen Museums zu sehen. Gezeigt wurden Fotografien von Skulpturen und Gebrauchsgegenstände aus den Depots im Zeughaus: „Da stehen die Plastiken nach Größe geordnet, Arno-Breker-Epigonen neben den Leitfiguren der DDR“, sagt Simone Kornfeld und findet es erstaunlich, wie die Parallelität der Darstellungen von Geschichte so einfach deutlich werden kann.
Wie schon in früheren Fotoarbeiten hat Kornfeld auch hier mit Überblendungen gearbeitet: Die reglose Figur eines betenden Soldaten zum Beispiel mit den Aufnahmen von Armfragmenten, die, vertikal nebeneinandergestellt, an Gewehre erinnern. Ein anderes Foto heißt „Stumme Helden“ und zeigt die monumentale Skulptur eines kraftvollen Jünglings, der starr und ausdruckslos in die Ferne schaut – als hätte jemand den Traum vom Klonen vorweggenommen.
„Die Kornfeld“, wie ein Freund die 43jährige Künstlerin nennt, sitzt in ihrer Wohnung: Basketballmütze auf dem Kopf, darunter dunkle Augen, roter Mund. „Kunst hat Verantwortung. Kunstgeschichte ist eine Verantwortungsgeschichte“, erklärt sie und ist damit bei einem Thema, das sie seit Jahren beschäftigt: „Wie wird Kunstgeschichte gemacht? Wer kommt hoch?“ Die Antworten auf ihre Fragen gibt sie selbst. Kunstgeschichte beruht heute auf Macht und Inszenierung: „Mein Anspruch an Kunst ist die Solidität in der Aussage. Wie's ausgeführt ist, erscheint zweitrangig.“ Sie beobachte eine Mystifizierung von Internationalität: Vieles, was heute in den Museen der Gegenwart hängt, habe keine zehn Jahre Bestand, viele Kunsthallen seien Parkhäfen für private Sammlungen. Von Ausnahmen abgesehen – Beuys etwa, Kiefer, Boltanski.
Am Kamin fällt der Blick auf ein gerahmtes Foto, das in seiner Farbigkeit bizarr wirkt: der Papst, aufgenommen während seines Berlinbesuchs. Es ist ein seltsam intimes Bild der offiziellen Veranstaltung. Der Papst steht frontal hinter einem Stehpult, seitlich daneben Eberhard Diepgen in ehrerbietiger Haltung mit gesenktem Haupt. Sein durchs Foto abgeschnittener Kopf ist ergänzt durch ein Halbrund, das unwillkürlich an einen Heiligenschein denken läßt. Die Collage war im Weinhaus Huth am Potsdamer Platz ausgestellt. Ebenso – in einem UV- Licht-Raum – das Bild eines Aquariums mit Pflanzen, Fischen und Haifischflossen, in den Umrissen eines Fernsehgerätes. Eine Persiflage der entstehenden Hauptstadt Berlin. Dazu gab es „Kunst in kleinen Dosen“, flache, runde Glasbehälter mit Fotos von Prominenten aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Der Besucher war aufgefordert, die Ordnung der Dosen neu zu arrangieren.
Simone Kornfeld, 1954 in Berlin geboren, studierte an der HdK Malerei und im Anschluß an der Freien Universität Kunstgeschichte und Philosophie. Die Medienkünstlerin begreift sich als Teil eines flexiblen Systems und, wie sie sagt, „vielfältigen Geflechts von aktuellem Kunst- und Kulturmikrokosmos. Das Spannende ist dabei, die Distanzen verändern zu können.“ Dazu gehört auch das Spiel, Menschen und Dinge in neue Zusammenhänge zu rücken oder das Augenmerk auf einen bestimmten Moment zu lenken: „Ich bin eine Videoknipserin. Ich halte die Bilderflut an und sag: Guck, das war's! Schaut hin! Mit Hilfe der Fotografie versuche ich Vorgänge und Verhaltensweisen bewußtzumachen.“ So wie bei dem Bild vom Papst und Diepgen.
Seit 1986 hatte Simone Kornfeld zahlreiche Performances, Einzel- und Gruppenausstellungen in Museen und Galerien, aber auch an Orten mit historischer Patina wie etwa 1993 im ehemaligen Preußischen Landtag. Sie war an internationalen Video-Festivals beteiligt und gewann verschiedene Preise – zuletzt im Fotowettbewerb der NGBK 1995. In Zusammenarbeit mit einer Kunsthistorikerin konzipierte und organisierte Simone Kornfeld 1994 in der Kunst- und Ausstellungshalle der BRD in Bonn das internationale Symposion „Die Zukunft des Museums für zeitgenössische Kunst zwischen Ost und West“.
„Für mich ist die farbliche Präsenz eines Gegenstandes wichtig“, faßt sie ihre Arbeit zusammen. Das kann man unschwer nachvollziehen. Die Wohnung von Simone Kornfeld scheint in weiches Licht getaucht. Kein hartes Weiß, sondern sehr helle Beigetöne bestimmen die Wände und die sparsame Einrichtung. Dazwischen Spiegel – auch häufiger Bestandteil ihrer künstlerischer Arbeiten – und ein Sessel, über dem ein rotes Tuch liegt. Sie zeigt eine Reihe weiblicher Akte in ovalen barocken Goldrahmen. Vor einigen Monaten waren sie im Museum Gelsenkirchen in der Ausstellung „Impulse – Zeitgenössische Fotografie“ zu sehen gewesen. Die eiförmig schwebenden Körper leuchten aus dem dunklen Untergrund hervor. Ihre Farbe ist warm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen